Abnah­me des Gemein­schafts­ei­gen­tums durch Bevollmächtigte

Stich­wor­te
Bau­trä­ger­ver­trag, Woh­nungs­ei­gen­tum, Gemein­schafts­ei­gen­tum, Abnah­me, Abnah­me­voll­macht, Ver­wal­ter­voll­macht, ver­drän­gen­de Voll­macht, ver­drän­gen­de Abnah­me­klau­sel, unwi­der­ruf­li­che Vollmacht

Ober­lan­des­ge­richt Düsseldorf
Urteil vom 23.10.2012 – I‑23 U 112/11
Kurzfassung

L e i t s ä t z e

1. Sieht die Abnah­me­klau­sel in den AGB eines Bau­trä­ger­ver­tra­ges vor, dass der Erwer­ber unwi­der­ruf­lich eine bestimm­te Per­son (ins­be­son­de­re den Erst­ver­wal­ter) bevoll­mäch­ti­gen muss bzw. dar­in bereits tat­säch­lich bevoll­mäch­tigt, ist sie unwirk­sam. Eine sol­che "ver­drän­gen­de" Abnah­me­klau­sel greift in das ori­gi­nä­re Abnah­me­recht des Erwer­bers ein, weil er ohne Vor­lie­gen eines wich­ti­gen Grun­des, der auch zum Wider­ruf einer an sich unwi­der­ruf­li­chen Voll­macht berech­tigt, fak­tisch kei­ne Mög­lich­keit hat, eine Abnah­me durch den vor­ab notar­ver-trag­lich bevoll­mäch­tig­ten Ver­wal­ter zu verhindern.

2. Eine Abnah­me­voll­macht muss daher zwangs­läu­fig wider­ruf­lich erteilt wer­den. Um dem Er-wer­ber nicht zu sug­ge­rie­ren, dass nur der bevoll­mäch­tig­te Ver­wal­ter abneh­men darf, muss die Klau­sel i.S. des Trans­pa­renz­ge­bots gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGBG bzw. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zusätz­lich aus­drück­lich klar­stel­len, dass die Voll­macht nicht nur frei wider­ruf­lich ist, son­dern der Erwer­ber jeder­zeit auch selbst die Abnah­me erklä­ren (bzw. ver­wei­gern) kann.

3. In einer als AGB vor­for­mu­lier­ten Abnah­me­klau­sel kann jeden­falls nur eine Per­son mit der Abnah­me des Gemein­schafts­ei­gen­tums betraut wer­den, die nicht aus dem poten­ti­el­len Lager des Bau­trä­gers stammt, d.h. neu­tral ist. Damit schei­den regel­mä­ßig ein vom Bau­trä­ger bestell­ter oder gar mit ihm per­so­nen­iden­ti­scher bzw. von ihm abhän­gi­ger Erst­ver­wal­ter als taug­li­che Abnah­me­per­son aus …

G r ü n d e :

II. 2. c. aa. … Die Ver­ein­ba­rung zu Ziff. V.3. der Kauf­ver­trä­ge, deren vom Land­ge­richt zutref­fend vor­ge­nom­me­ne Ein­ord­nung als AGB die Beru­fung der Beklag­ten nicht mehr in Fra­ge stellt, ist bereits inso­weit mit dem AGBG bzw. §§ 305 ff. BGB nicht ver­ein­bar ist, als der Klau-sel sich – unter Ver­stoß gegen das Trans­pa­renz­ge­bot i.S.v § 2 Abs. 1 Nr. 2 BGB a.F. (bzw. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB n.F.) – nicht hin­rei­chend ent­neh­men lässt, dass es sich bei der erteil­ten Voll­macht an den Ver­wal­ter um eine frei wider­ruf­li­che Voll­macht handelt.

Sieht die Abnah­me­klau­sel – wie hier – vor, dass der Erwer­ber unwi­der­ruf­lich eine bestimm­te Per­son bevoll­mäch­ti­gen muss bzw. bereits tat­säch­lich bevoll­mäch­tigt, ist sie unwirk­sam. Die vom Bau­trä­ger geschul­de­te Leis­tung ent­ge­gen­zu­neh­men und über ihre Ord­nungs­ge­mäß­heit zu befin­den, ist allein Sache der Erwer­ber, denen es über­las­sen blei­ben muss, den zur Abnah­me Berech­tig­ten jeder­zeit selbst frei zu bestimmen …

Eine "ver­drän­gen­de" Abnah­me­klau­sel greift in das ori­gi­nä­re Abnah­me­recht des Erwer­bers ein, weil er ohne Vor­lie­gen eines wich­ti­gen Grun­des, der auch zum Wider­ruf einer an sich unwi­der­ruf­li­chen Voll­macht berech­tigt … fak­tisch kei­ne Mög­lich­keit hat, eine Abnah­me durch den vor­ab notar­ver­trag­lich bevoll­mäch­tig­ten Ver­wal­ter zu ver­hin­dern. Eine Abnah­me­voll­macht muss daher zwangs­läu­fig wider­ruf­lich erteilt wer­den. Um dem Erwer­ber nicht zu sug­ge­rie­ren, dass nur der bevoll­mäch­tig­te Ver­wal­ter abneh­men darf, muss die Klau­sel i.S. des Trans­pa­renz­ge­bots gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGBG (bzw. nun­mehr § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) zusätz­lich aus­drück­lich klar­stel­len, dass die Voll­macht nicht nur frei wider­ruf­lich ist, son­dern der Er-wer­ber jeder­zeit auch selbst die Abnah­me erklä­ren (bzw. ver­wei­gern) kann. Nur auf die­se Wei­se wird klar- und sicher­ge­stellt, dass das o.a. ori­gi­nä­re Abnah­me­recht des Erwer­bers nicht intrans­pa­rent bzw. unan­ge­mes­sen beein­träch­tigt wird bzw. von wesent­li­chen Grund­ge­dan­ken der gesetz­li­chen Rege­lun­gen (§§ 640, 641 BGB) in einer den Erwer­ber benach­tei­li­gen­den Wei­se i.S.v. § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG (bzw. nun­mehr § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) abge­wi­chen wird …

Im Hin­blick auf die vor­ste­hen­den Grund­sät­ze hat der Beru­fungs­ein­wand der Beklag­ten, die Rege­lung zu Ziff. V.3. der Kauf­ver­trä­ge hal­te als AGB – auch unter Berück­sich­ti­gung des Urteils des OLG Koblenz vom … einer Inhalts­kon­trol­le stand, da die­sem Urteil ein völ­lig anders gela­ger­ter Sach­ver­halt (Bestel­lung eines Sach­ver­stän­di­gen durch den Bau­trä­ger) zugrun­de­ge­le­gen habe, kei­nen Erfolg. Maß­geb­lich ist, dass auch durch die hier von der Beklag­ten ver-wen­de­te Klau­sel zu V.3. in den durch die Rege­lun­gen des AGBG (bzw. nun­mehr §§ 305 ff. BGB) geschütz­ten Kern­be­reich der Rechts­stel­lung des Erwer­bers ein­ge­grif­fen wird, ohne dass dies durch gewich­ti­ge und schüt­zens­wer­te Inter­es­sen der Beklag­ten als Bau­trä­ge­rin gerecht­fer­tigt wäre.

Der Beru­fungs­ein­wand der Beklag­ten, § 640 BGB sei dis­po­si­ti­ves Recht, das hin­ter die vor-ran­gi­gen ver­trag­li­chen Rege­lun­gen zurück­tre­te, so dass die Erwer­ber daher ohne wei­te­res die Abnah­me des Gemein­schafts­ei­gen­tums durch einen Drit­ten (z.B. den Ver­wal­ter) ver­ein­ba­ren könn­ten, und die Bezug­nah­me der Beklag­ten auf Ent­schei­dun­gen des BayO­blG … des OLG Nürn­berg … und die Kom­men­tie­rung von Palandt … recht­fer­ti­gen kei­ne abwei­chen­de Beur­tei­lung. Die­ser Beru­fungs­ein­wand der Beklag­ten ver­kennt, dass inso­weit zwi­schen indi­vi­du­al­ver­trag­li­chen und for­mu­lar­mä­ßi­gen Ver­ein­ba­run­gen bzw. Voll­mach­ten (im Sin­ne einer Ein­schrän­kung des ori­gi­nä­ren Rechts der Erwer­ber auf Abnah­me auch des Gemein­schafts­ei­gen-tums i.S.v. § 640 BGB) unter­schie­den wer­den muss, wobei für letz­te­re die o.a. beson­de­ren Anfor­de­run­gen des AGBG bzw. nun­mehr §§ 305 ff. BGB an Trans­pa­renz und Ange­mes­sen­heit gel­ten. Zudem betref­fen die bei­den von der Beklag­ten zitier­ten Beschlüs­se des BayO­bLG allein das Innen­ver­hält­nis zwi­schen der Woh­nungs­ei­gen­tü­mer­ge­mein­schaft und dem Ver­wal-ter und nicht das Außen­ver­hält­nis zum Ver­käu­fer bzw. Bauträger.

Der wei­te­re Beru­fungs­ein­wand der Beklag­ten, das LG habe feh­ler­haft unbe­rück­sich­tigt gelas­sen, dass auch die Käu­fer zur Abnah­me berech­tigt gewe­sen sei­en und die Zuläs­sig­keit eines Wider­rufs der dem Ver­wal­ter ein­ge­räum­ten Voll­macht ohne die Not­wen­dig­keit eines ent­sp­re-chen­den Hin­wei­ses in der Klau­sel bereits aus § 671 Abs. 1 BGB (bzw. § 168 Satz 2 BGB) fol­ge, hat eben­falls kei­nen Erfolg, da er die o.a. Anfor­de­run­gen des § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGBG (bzw. nun­mehr§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) an die Ver­ständ­lich­keit bzw. Trans­pa­renz einer in den Kern­be­reich der Rechts­stel­lung der Erwer­ber ein­grei­fen­de AGB-Klau­sel zur Abnah­me des Gemein­schafts­ei­gen­tums für den Erwer­ber eines Bau­trä­ger­ob­jekts, bei denen von den Ver­ständ­nis­mög­lich­kei­ten eines recht­lich nicht vor­ge­bil­de­ten Durch­schnitts­kun­den aus­zu­ge­hen ist, d.h. nach des­sen lai­en­haf­tem Emp­fän­ger­ho­ri­zont … nicht hin­rei­chend berück­sich­tigt. Inso­weit ändert auch die in der Klau­sel zu V.3. – eben­falls nicht hin­rei­chend klar und ver­ständ-lich dar­ge­stell­te – Alter­na­ti­ve, dass die Abnah­me durch "alle Käu­fer" hät­te erfol­gen kön­nen, in der Gesamt­schau nichts an der Intrans­pa­renz und Unwirk­sam­keit der Klau­sel. Im Hin­blick auf die vor­ste­hen­den Anfor­de­run­gen an die Trans­pa­renz einer AGB-Klau­sel war – unab­hän­gig von der Exis­tenz der o.a. gesetz­li­chen Rege­lun­gen zur Wider­ruf­bar­keit einer Voll­macht – in den vor­for­mu­lier­ten Notar­ver­trä­gen zu Ziff. V.3. ein aus­drück­li­cher Hin­weis an die Erwer­ber auf die­se freie Wider­ruf­lich­keit der dem von der Beklag­ten als Bau­trä­ge­rin bestell­ten (Erst-)Verwalter vor­ab erteil­ten Voll­macht zur Abnah­me des Gemein­schafts­ei­gen­tums erfor­der­lich, um die­ser Klau­sel die gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGBG (bzw. nun­mehr § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) not­wen­di­ge Trans­pa­renz für die Erwer­ber und Ange­mes­sen­heit zu verleihen.

bb. Zudem kann in einer als AGB vor­for­mu­lier­ten Abnah­me­klau­sel jeden­falls nur eine Per­son mit der Abnah­me des Gemein­schafts­ei­gen­tums betraut wer­den, die nicht aus dem poten­ti­el­len Lager des Bau­trä­gers stammt, d.h. neu­tral ist. Denn ande­ren­falls könn­te der Bau­trä­ger ent­schei­den­den Ein­fluss auf dem im Wesent­lich für ihn güns­ti­gen Rechts­akt der Abnah­me neh­men. Damit schei­den der regel­mä­ßig vom Bau­trä­ger bestell­te oder gar mit ihm per­so­nen­i­den-tische bzw. von ihm abhän­gi­ge Erst­ver­wal­ter als taug­li­che Abnah­me­per­son aus … Eine sol­che Klau­sel benach­tei­ligt den Erwer­ber unan­ge­mes­sen, weil der zur Abnah­me des Gemein­schafts­ei­gen­tums Bevoll­mäch­tig­te nicht abs­trakt unpar­tei­lich ist, son­dern letzt­lich vom Bau­trä­ger (durch die Bestel­lung des Erst­ver­wal­ters) selbst bestimmt wor­den ist …

(Die voll­stän­di­ge Ent­schei­dung fin­den Sie hier)

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