Kur­ze Bin­dungs­fris­ten für Käu­fer beim Bauträgervertrag

Stich­wor­te
AGB, Ver­brau­cher­schutz, Bau­trä­ger­ver­trag, Kauf­an­ge­bot, Befris­tung, Dis­po­si­ti­ons­frei­heit, wesent­li­che Fristüberschreitung

Bun­des­ge­richts­hof
Urteil vom 17.01.2014 – V ZR 5/12
Kurzfassung

Leit­satz

Eine von dem Bau­trä­ger vor­for­mu­lier­te Bin­dungs­frist, nach der der Erwer­ber an sein Ange­bot auf Abschluss eines Bau­trä­ger­ver­trags für sechs Wochen oder län­ger gebun­den ist, über­schrei­tet die regel­mä­ßi­ge gesetz­li­che Frist des § 147 Abs. 2 BGB von vier Wochen wesent­lich; sie ist nur dann nicht unan­ge­mes­sen lang im Sin­ne von § 308 Nr. 1 BGB, wenn der Ver­wen­der hier­für ein schutz­wür­di­ges Inter­es­se gel­tend machen kann, hin­ter dem das Inter­es­se des Kun­den an dem bal­di­gen Weg­fall der Bin­dung zurück­ste­hen muss (Fort­füh­rung des Senats­ur­teils vom 27. Sep­tem­ber 2013, V ZR 52/12, WM 2013, 2315 ff.) 

Tat­be­stand

Mit nota­ri­el­ler Erklä­rung … bot die Klä­ge­rin der Beklag­ten den Kauf einer Eigen­tums­woh­nung an ... Eine Ver­trags­be­din­gung lau­tet wie folgt:

An das Ange­bot hält sich der Anbie­ten­de bis zum Ablauf von sechs Wochen von heu­te an gerech­net unwi­der­ruf­lich gebun­den. Nach Ablauf die­ser Frist kann das Ange­bot schrift­lich wider­ru­fen werden …“ 

Ent­schei­dungs­grün­de

... II. 1. b) Unter Berück­sich­ti­gung der für den Ver­trags­ge­gen­stand typi­schen Umstän­de ergibt die Abwä­gung der Inter­es­sen der Ver­hand­lungs­part­ner, dass die in dem Ange­bot ent­hal­te­ne Bin­dungs­frist von sechs Wochen die Klä­ge­rin unan­ge­mes­sen in ihrer Dis­po­si­ti­ons­frei­heit beein­träch­tigt hat und des­halb nach § 308 Nr. 1 BGB unwirk­sam ist.

aa) Aus­gangs­punkt für die Prü­fung der Unan­ge­mes­sen­heit nach § 308 Nr. 1 BGB ist § 147 Abs. 2 BGB. Nach die­ser Vor­schrift kann der einem Abwe­sen­den gemach­te Antrag nur bis zu dem Zeit­punkt ange­nom­men wer­den, in wel­chem der Antra­gen­de den Ein­gang der Ant­wort unter regel­mä­ßi­gen Umstän­den erwar­ten darf. … Denn bei dem finan­zier­ten Kauf einer bereits fer­tig­ge­stell­ten Eigen­tums­woh­nung beträgt die gesetz­li­che Frist des § 147 Abs. 2 BGB regel­mä­ßig vier Wochen … der Senat hat … ent­schie­den, dass für einen Bau­trä­ger­kauf­ver­trag nichts ande­res gilt …

bb) Ob bei der Bestim­mung, wel­che Frist ange­mes­sen im Sin­ne von § 308 Nr. 1 BGB ist, im kon­kre­ten Fall abseh­ba­re Ver­zö­ge­run­gen zu berück­sich­ti­gen sind oder ob inso­weit allein eine gene­ra­li­sie­ren­de und typi­sie­ren­de Betrach­tung gebo­ten ist … kann dahin­ste­hen. Denn die Beklag­te führt inso­weit allein die nicht sicher­ge­stell­te Finan­zie­rung auf Sei­ten der Klä­ge­rin an. Die­se kann die gesetz­li­che Frist des § 147 Abs. 2 BGB jedoch nicht ver­län­gern. Wird näm­lich das Ange­bot – wie hier – auf Ver­an­las­sung des Emp­fän­gers abge­ge­ben, obwohl die­sem die unge­si­cher­te Finan­zie­rung bekannt ist, kann der Anbie­ten­de eine Annah­me inner­halb der übli­chen Frist erwar­ten. Er muss nicht damit rech­nen, dass ein Hin­der­nis auf sei­ner Sei­te, das sei­nem poten­ti­el­len Ver­trags­part­ner von vorn­her­ein bekannt ist, eine über­lan­ge ein­sei­ti­ge Bin­dung zur Fol­ge hat; so hät­te es der Beklag­ten frei­ge­stan­den, die Klä­ge­rin erst nach einer Finan­zie­rungs­zu­sa­ge zu der Abga­be des Ange­bots zu bewegen.

cc) Die danach maß­geb­li­che gesetz­li­che Frist von vier Wochen ist wesent­lich über­schrit­ten. Aller­dings ist höchst­rich­ter­lich bis­lang nicht geklärt, ab wel­cher rela­ti­ven Frist­über­schrei­tung die Wesent­lich­keits­gren­ze erreicht ist. Bei einer vier­wö­chi­gen gesetz­li­chen Frist ent­schei­det der Senat die­se Fra­ge nun­mehr dahin­ge­hend, dass (nur) eine Über­schrei­tung um 50 % oder mehr als wesent­lich anzu­se­hen ist; davon ist also aus­zu­ge­hen, sobald die Frist – wie hier – sechs Wochen (oder mehr) beträgt …

dd) Geht die Bin­dungs­frist wesent­lich über den in § 147 Abs. 2 BGB bestimm­ten Zeit­raum hin­aus, stellt dies nur dann kei­ne unan­ge­mes­se­ne Benach­tei­li­gung dar, wenn der Ver­wen­der hier­für ein schutz­wür­di­ges Inter­es­se gel­tend machen kann, hin­ter wel­chem das Inter­es­se des Kun­den an dem bal­di­gen Weg­fall sei­ner Bin­dung zurück­ste­hen muss … Sol­che schutz­wür­di­gen Inter­es­sen der Beklag­ten sind nicht ersicht­lich. Ins­be­son­de­re kann sie sich nicht dar­auf beru­fen, dass eine ihrer Gesell­schaf­te­rin­nen ihren Sitz in den Nie­der­lan­den hat. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Beru­fungs­ge­richts liegt es fern, dass der Beklag­ten durch die Über­set­zung des immer­hin von ihr selbst vor­for­mu­lier­ten Ange­bots ein beson­de­rer zeit­li­cher Auf­wand ent­stand. Auch erschließt es sich nicht, war­um eine Über­mitt­lung in die Nie­der­lan­de ange­sichts einer mög­li­chen Ver­sen­dung per Email oder Tele­fax län­ge­re Zeit bean­spru­chen sollte.

(Die voll­stän­di­ge Ent­schei­dung fin­den Sie hier)

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