Stichworte
Prüfung Bauträgervertrag, Bauträger, Abnahme, Übergabeverpflichtung, Bezugsfertigkeit, Mangel, Einbehalt, werkvertrag, Verbraucherschutz, unangemessene Benachteiligung
Landgericht München
Verfügung v. 23.06.2016 – 11 O 10314/16
Leitsätze:
Eine Regelung in allgemeinen Geschäftsbedingungen, dass der Bauträger zur Übergabe des Vertragsobjekts nach vollständiger Fertigstellung und Abnahme verpflichtet sei, benachteilige den Erwerber unangemessen, da eine Abnahme ohne Übergabe faktisch und rechtlich nicht möglich sei. (redaktioneller Leitsatz)
Unwirksam sei auch eine Klausel in allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Bauträgers, nach der eine Übergabe wegen ausstehenden fälliger Zahlungen verweigert oder nur Zug um Zug gegen Zahlung gewährt werden könne, da der Erwerber ein schutzwürdiges Interesse habe, das Wohnungseigentum bei Bezugsfertigkeit beziehen zu können. (redaktioneller Leitsatz)
Das dem Bauträger in seinen allgemeinen Geschäftsbedingungen wirksam eingeräumte Ermessen, den Besitz bereits bei Bezugsfertigkeit einzuräumen, hat dieser unter Berücksichtigung der den Erwerbern entstehenden Schäden sowie des eigenen Verzugs mit der Fertigstellung der Billigkeit entsprechend gem. § 315 Abs. 1, 3 BGB auszuüben. (redaktioneller Leitsatz)
Entscheidungsgründe
A.
Die beantragte einstweilige Verfügung war zu erlassen.
Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist das Gericht örtlich und sachlich zuständig.
Der Antrag ist auch begründet.
Den Antragstellern steht
- ein Anordnungsanspruch (§§ 936, 916 ZPO) zu
und
- ein Anordnungsgrund (§ 940 ZPO) zur Seite.
I.
Anordnungsanspruch
Die Antragsteller haben einen fälligen und durchsetzbaren Anspruch darauf, dass die Antragsgegnerin ihnen (und daher auch wie beantragt für beide dem Antragsteller zu 1) den Besitz an der streitgegenständlichen Wohnung übergibt.
1.
Die Antragsteller haben zu den Vertragsgrundlagen Folgendes glaubhaft gemacht:
Die Antragsgegnerin hat in dem streitgegenständlichen Bauträgervertrag (ASt 1) die Herstellung des Kaufobjekts bis zum 31.8.2015 versprochen. Die Antragsteller haben die ersten fünf Raten bezahlt (ASt 5, ASt 2).
Offen stehen rund 93.000,- €, nämlich:
Rate 6 (Bezugsfertigkeit) mit 51.081,92 €
Rate 7 (vollständige Fertigstellung) mit 11.455,97 € und
ein Einbehalt nach § 632 a BGB mit 30.399,95 € aus Rate 1, der die vollständige Fertigstellung absichern sollte (Blatt 6).
Die Antragsgegnerin ist entschlossen (ASt 11 Seite 2 unten, ASt 15 Seite 7), den Antragstellern den Besitz erst einzuräumen, wenn die Antragsteller
- das Objekt abgenommen haben und
- die gesamte vereinbarte Bauträgervergütung bezahlt ist (mit Ausnahme eines Selbstabzugs der Antragsgegnerin in der Größenordnung von rund 10.000 €).
2.
Die Antragsteller meinen, die offenen Beträge (siehe 1.-) vorerst nicht zahlen zu müssen, da ihnen wegen Mängeln (ASt 6) ein Leistungsverweigerungsrecht zustehe.
Die Mängel sind zwischen den Parteien streitig (vgl. ASt 15). Die Antragsteller beziffern Mangelbeseitigungskosten in Höhe von rund 63.000 € (Blatt 8/14), und meinen: Selbst für die Beseitigung nur derjenigen Mängel, die unmittelbar dem Sondereigentum anhaften (schiefe Decke, Fensterelement, Kniestock) fielen inklusive Nebenkosten und Umsatzsteuer noch 50.122,80 € an (Blatt 14). Setze man hier einen Druckzuschlag mit Faktor 2 an, folge daraus – so die Antragsteller – dass der Antragsgegnerin derzeit kein einredefreier Teil der Bauträgervergütung verbleibt.
3.
Die Antragsteller haben glaubhaft gemacht (ASt 1), dass der Bauträgervertrag zur hier umstrittenen Besitzübergabe folgende textliche Aussagen trifft:
„Der Verkäufer ist zur Übergabe verpflichtet, wenn das Vertragsobjekt vollständig fertig gestellt und die Abnahme durchgeführt ist. Er kann den Vertragsbesitz nach seinem Ermessen auch nach dessen bezugsfertiger Herstellung und Abnahme übergeben“ (ASt 1, Seite 14/15).
Es folgt der Nachsatz: „Die Übergabe kann jedenfalls verweigert werden, wenn der Käufer nicht alle zu diesem Zeitpunkt fälligen Zahlungen geleistet hat oder Zug um Zug gegen Übergabe leistet“ (ebd.).
4.
Mit der Besitzübergabe in Zusammenhang stehen folgende Regelungen betreffend Fälligkeit der Bauträgervergütung:
Die sechste Rate („k“, ASt 1 Seite 10 oben) soll fällig sein „nach Bezugsfertigkeit und Zug um Zug gegen Besitzübergabe“.
Die siebente Rate („l“, ASt 1 ebd.) ist fällig „nach vollständiger Fertigstellung“.
An die vollständige Fertigstellung knüpft auch die Fälligkeit eines Einbehalts aus der Rate‑1 an.
Im Anschluss an die Ratenstaffel bestimmt der Vertrag: „Klargestellt wird, dass ein Anspruch des Käufers auf Besitzübergabe erst nach vollständiger Fertigstellung besteht“ [es folgt eine Verweisung auf u. a. die Regelungen, die das Gericht oben unter 3.- zitiert hat].
5.
Glaubhaft sind für das Gericht auch die tatsächlichen Voraussetzungen dafür, dass das streitgegenständliche Wohneigentum als „bezugsfertig“ anzusehen ist. Denn beide Parteien haben sich auf den Standpunkt gestellt, dass die Bezugsfertigkeit nunmehr gegeben ist: Die Antragsgegnerin postuliert sogar die Abnahmefähigkeit des Gesamtobjekts (ASt 15, Seite 2) seit 24.3.2016, und die Antragsteller bestätigen – als „minus“ hierzu, die Wohnung sei bezugsfertig seit dem 18.5.2016 (Blatt 8, ASt 6).
6.
Glaubhaft ist auch, dass laut Vertrag (ASt 1 Seite 13) das gesamte Objekt vollständig fertigzustellen gewesen wäre bis zum 31.8.2015. Diesen Termin einzuhalten, gelang der Antragsgegnerin nicht (ASt 15). Beide Parteien scheinen in der Bewertung übereinzustimmen, dass die Antragsgegnerin hierdurch in Verzug geriet; sie sind uneins, ob und was sich an der rechtlichen Bewertung ändert, wenn die Antragsteller nach dem 31.8.2015 ihrerseits in Zahlungsverzug geraten sind (ASt 15 Seite 1).
7.
Glaubhaft (hier wie immer im Sinne von „überwiegend wahrscheinlich“ für das Gericht) ist auch, dass die vorzitierten Bestimmungen des Vertrages allgemeine Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin sind:
Bauträgerverträge werden typischerweise im Wesentlichen gleichlautend mit allen Erwerbern abgeschlossen. Auch das Erscheinungsbild von ASt 1 spricht eher für als gegen die AGB-Qualität.
8.
Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam ist bereits folgender Satz aus dem Vertrag:
„Der Verkäufer ist zur Übergabe verpflichtet, wenn das Vertragsobjekt vollständig fertig gestellt und die Abnahme durchgeführt ist“.
Dieser Satz benachteiligt den Erwerber (bei der gebotenen ex-ante-Betrachtung) unangemessen und gefährdet den Zweck des Vertrages: Dem Erwerber wird angesonnen, etwas abzunehmen, was er rechtlich und faktisch nicht abnehmen kann. „Abnahme“ ist bekanntlich die körperliche Entgegennahme des Werks verbunden mit der Billigung als im Wesentlichen vertragsgemäß. Die körperliche Entgegennahme hängt bei Bauleistungen (wie hier) davon ab, dass dem Erwerber der Besitz übergeben wird. Die Antragsschrift erwähnt zutreffend, dass die hier befasste Kammer diese Auffassung schon einmal betätigt hat (LG München I, Urteil vom 3.12.2015, 11 O 12198/15).
9.
Als AGB unwirksam nach vorgenannter Norm ist ferner (schon für sich genommen, aber erst recht in Verbindung mit dem vorzitierten Satz) folgende Klausel: „Die Übergabe kann jedenfalls verweigert werden, wenn der Käufer nicht alle zu diesem Zeitpunkt fälligen Zahlungen geleistet hat oder Zug um Zug gegen Übergabe leistet“. Unterstrichen wird diese Wertung durch die Verbindung, in der beide Sätze damit stehen, dass die Besitzübergabe in einem Zug-um-Zug-Verhältnis mit der Zahlung der Rate 6 steht (siehe oben).
Eine AGB-Kontrolle ist hier (wie schon zuvor) nach § 307 BGB gangbar und geboten, weil die Gestaltung nicht bereits nach § 139 BGB nichtig ist. Denn § 139 BGB greift vorliegend nicht, weil die Gestaltung als solche nicht gegen die MaBV verstößt, die dem Bauträger u. a. verbietet, Raten entgegenzunehmen, bevor die allgemeinen und besonderen Fälligkeitsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 bzw. 2 MaBV geschaffen sind. Die hier getroffene Gestaltung respektiert dies (zumindest formaljuristisch) und zwingt (zumindest rechtlich) den Erwerber nicht, Raten zu bezahlen, bevor der Baufortschritt erzielt ist.
Nach der folglich anwendbaren Vorschrift des § 307 Abs. 1 BGB ist die Gestaltung eine unangemessene Benachteiligung des Durchschnitts-Wohneigentums-Erwerbers, weil dieser regelmäßig ein schutzwürdiges Interesse hat, das Wohneigentum bei Bezugsfertigkeit tatsächlich auch beziehen zu können und zwar typischerweise zu einem Zeitpunkt, in dem die vollständige Fertigstellung noch nicht erreicht ist. Der Durchschnittserwerber hat regelmäßig seine Investition in das Wohneigentum derart kalkuliert und finanziert, dass eine möglichst frühe Wohnnutzung darin eine erhebliche Rolle spielt, damit der Erwerber möglichst zügig die laufende finanzielle Belastung hinter sich lassen kann, die mit der vorherigen Wohnung verbunden ist. Mit einem Wort:
Der Durchschnittserwerber ist auf einen Bezug vor (vollständiger) Fertigstellung angewiesen. Angewiesen ist er folglich auch darauf, dass die noch fehlende vollständige Fertigstellung effizient abgesichert wird. Die hier untersuchte Gestaltung führt dazu, dass der Erwerber entweder am frühzeitigen Bezug gehindert sein wird, oder er muss auf die Besicherung hinsichtlich der vollständigen Fertigstellung verzichten, indem er die Schlussrate bereits bei Bezug zahlt.
Auch diese Erwägungen sind nicht neu, sondern die Antragsschrift erwähnt zutreffend, dass sie von der 8. Zivilkammer des Landgerichts München I schon in sehr ähnlicher Form angestellt wurden (Landgericht München I 23.4.2015, 8 O 6509/15).
10.
Auch als AGB wirksam einzustufen ist der Satz, der besagt, es könne der Verkäufer „den Vertragsbesitz nach seinem Ermessen auch nach dessen bezugsfertiger Herstellung und Abnahme übergeben“ – also vor der vollständigen Fertigstellung.
Dieser Satz ergibt eine sinnvolle Aussage auch dann, wenn man die vorstehend behandelten Sätze gedanklich aus dem Text streicht, also den so genannten „blue pencil test“ macht. Denn das hier gemeinte Ermessen ist nicht etwa eine freie Willkür des Bauträgers, sondern in Übereinstimmung mit den Grundsätzen von Treu und Glauben auszuüben (§ 242 BGB), wozu die Grundgedanken des Leistungsbestimmungsrechts (§ 315 Abs. 1 und 3 BGB) ebenso gehören wie die des Schadensrechts (§ 249 BGB). Der Satz benachteiligt die Antragsteller daher nicht unangemessen.
Wollte man an der AGB-rechtlichen Wirksamkeit materiell zweifeln, so wäre der Satz gleichwohl hier als wirksam zu behandeln: Die Antragsteller berufen sich auf ihn. Die Antragsgegnerin könnte sich daher auf eine etwaige Unwirksamkeit dieses Satzes nicht zum Nachteil der Antragsteller berufen. Den Antragstellern würde § 305 c Abs. II BGB helfen, nämlich dahin, dass eine gesetzeskonforme Auslegung gilt.
11.
Das der Antragsgegnerin eingeräumte Ermessen hat die Antragsgegnerin nach alledem nicht willkürlich, sondern so auszuüben, dass
erstens der Billigkeit genügt wird (§ 315 Abs. 1 BGB), was notfalls durch gerichtliche Entscheidung durchzusetzen ist (§ 315 Abs. 3 BGB),
zweitens Schäden gering gehalten werden, denn aus § 249 BGB folgt erst recht, dass der jeweilige Schädiger gehalten ist zu verhüten, dass ein bereits eingetretener Schaden sich in vermeidbarer Weise vertieft.
Es entspricht erstens der Billigkeit, den Antragstellern nunmehr den Besitz der Wohnung einzuräumen, da die Gesamtleistung bereits am 31.8.2015 hätte fertiggestellt sein müssen.
Dadurch wird zweitens der Schaden minimiert, der den Parteien droht, wenn die Antragsteller weiterhin nicht einziehen.
Das gilt unabhängig von der streitigen Frage, ob und ggf. wann zum Fertigstellungsverzug der Antragsgegnerin ein Zahlungsverzug der Antragsteller hinzugetreten sein mag. Die Pflichtverletzung der Antragsgegnerin liegt bereits darin, dass das Objekt am 31.8.2015, d. h. bei Ablauf der Fertigstellungsfrist, nicht fertig war (entgegen ASt 1 Seite 13 Ziffer 3, 1. Absatz). Nicht schlüssig ist der Einwand der Antragsgegnerin (K 15 Seite 1 unter Berufung auf Ast. 1 Seite 13, Ziffer 2, Absatz 2 Satz 2), die Fertigstellungsfrist habe sich „verlängert“, weil die Antragsteller nach dem 31.8.2015 (nämlich im Oktober 2015) ihrerseits in Zahlungsverzug geraten seien: Eine bereits am 31.8.2015 abgelaufene Fertigstellungsfrist kann sich schon begrifflich nicht mehr „verlängern“ durch Ereignisse, die nach ihrem Ablauf stattfinden. Den Fertigstellungsverzug beseitigt die Verlängerungsklausel nicht mehr. Konnte die Antragsgegnerin also Ende August 2015 den Besitz nicht einräumen, so blieb sie gehalten, das so schnell wie möglich nachzuholen.
II.
Anordnungsgrund
Glaubhaft gemacht ist, dass der Antragsteller zu 1 (auf den hier abzustellen ist) in einem unzumutbaren Provisorium haust (Ast 12) und dort definitiv nur noch bis zum 30.6.2016 bleiben kann (ASt 5). Glaubhaft gemacht ist auch, dass der Antragsteller zu 1 nicht die Mittel hat, um Beherbergungskosten für ein neues Provisorium zu tragen.
Das stellt einen Anordnungsgrund auch für den Antragsteller zu 2 dar. Denn die Besitzübergabe kann nur an beide einheitlich erfolgen, und sie ist notwendig, um wesentliche Nachteile des Antragstellers zu 1 abzuwenden, § 940 ZPO.
Das Gericht ist sich klar darüber, dass der Anordnungsgrund bei einer Leistungsverfügung besonders kritisch zu prüfen ist. Die Wesentlichkeit der Nachteile kann dabei nur das Ergebnis einer Abwägung sein, die die Interessen der Parteien möglichst umfassend einbezieht, insbesondere auch die der Antragsgegnerin. Dabei waren für die Kammer folgende Erwägungen leitend:
1.
Die Antragsgegnerin will erkennbar verhindern, dass der Erwerber einerseits einzieht, andererseits Zahlungen zurückhält (wie es oftmals geschieht, typischerweise unter Berufung auf Mängel). Denn dergleichen ist für die Antragsgegnerin aus zweierlei Gründen misslich: Erstens muss sie sich mit dem Erwerber streiten, zweitens trägt sie als Bauträgerin derweil das Insolvenzrisiko des Erwerbers.
Dem zweiten Nachteil (Insolvenzrisiko) begegnet diese Verfügung, indem die Kammer anordnet, dass die Antragsgegnerin zu besichern ist in Höhe des noch offenen Restkaufpreises (dazu mehr unter III., siehe unten).
2.
Den erstgenannten Nachteil („Streiten-Müssen“) kann die Kammer nicht beseitigen: Sie kann niemandem ersparen, sich mit seinem Vertragspartner auseinandersetzen zu müssen.
Daran würden übrigens auch die oben beanstandeten Klauseln nichts ändern. Würde der Erwerber sie als wirksam behandeln, stünde es ihm gleichwohl frei, den Bauträger hernach wegen echter oder vermeintlicher Mängel in Streit zu verwickeln. Genauer: Zahlt der Erwerber alle offenen Raten (z. B. weil er aus persönlichen Gründen ein übergeordnetes Interesse an einem pünktlichen und reibungslosen Einzug hat) und erklärt er unter dem Druck der (oben beanstandeten) Klauseln auch noch die Abnahme vor Besitzübergabe, so mag das die Chancen des Erwerbers im anschließenden Streit um Mängel verschlechtern. Das schließt diesen Streit aber rechtlich nicht aus.
Die Streitvermeidung vollzieht sich äußerstenfalls auf der faktischen Ebene: Es mag sein, dass der Erwerber wegen seiner verschlechterten Chancen den Streit um Mängel und fehlende Leistungen nicht mehr durchführt (nachfolgend: Entmutigungs-Effekt). Die Entmutigung des Erwerbers wäre ein faktischer Vorteil für den Bauträger. Richtet der Bauträger hierauf seine Erwartung, so wäre diese Erwartung indes rechtlich nicht geschützt, denn die beanstandeten Klauseln wären zwar geeignet, den Entmutigungs-Effekt beim Erwerber zu bewirken, aber sind, wie oben dargelegt, unwirksam. Soweit die hier getroffene Entscheidung einen Entmutigungs-Effekt vereitelt, hat das Gericht dies bei der Abwägung nach § 940 ZPO in Kauf zu nehmen.
III.
Sicherheitsleistung der Antragsteller
Das Gericht hat den Vollzug der vorliegenden einstweiligen Verfügung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht.
1.
Dem Grunde nach erschien die Sicherheit aus folgenden Erwägungen heraus geboten:
In diesem Verfahren kann nicht letztgültig darüber zu entscheiden sein, ob die restliche Bauträgervergütung fällig und einredefrei ist und ggf. seit wann. Man muss daher die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass diese Vergütung in voller Höhe fällig und einredefrei sein könnte, nämlich wenn die Mängel nicht be- und Restleistungen nicht ausstehen, die die Antragsteller einwenden.
Darum benötigt die Antragsgegnerin eine Sicherheit gegen das Risiko, den Besitz hergeben zu müssen und mit der Restvergütung auszufallen, obwohl diese – nicht ausschließbar – begründet, fällig und durchsetzbar gewesen wäre.
In der Mängelfrage kann sich die Kammer derzeit keine klare Einschätzung (auch nur tendenzieller Art) bilden, obwohl sie das versucht hat. Herauszugreifen sind hierzu folgende Punkte:
(1.) Betreffend Lift und Fassade
stellt es eine einigermaßen knifflige Rechtsfrage dar, ob diese jeweils Teil der Bauerrichtungspflicht aus ASt 1 sind. Dagegen spricht sich die Argumentation in ASt 15 Seite 4 aus. Eventuell kommt es aber auf diese Frage nicht durchgreifend an: Der Aufzug oder die Fassade sind ausdrücklich etwas, was der „Kaufpreis“ mit abgilt – statt „Kaufpreis“ kann man auch „Bauträgervergütung“ sagen. Die Bereitstellung des Aufzuges und der Fassade kann, auch ohne Bauerrichtungsleistung zu sein, eine im Synallagma des Vertrages stehende Leistung der Antragsgegnerin an die Antragsteller sein – unabhängig davon, wie sie rechtlich zu qualifizieren wäre (der Bauträgervertrag ist ohnehin ein Schulbeispiel für einen typengemischten Vertrag). Folge einer solchen Betrachtung könnte sein, dass deren Einrede des nichterfüllten Vertrages auch dann prosperieren könnte, wenn die These der Antragsgegnerin (ASt 15 Seite 4) voll zutrifft. Das ganze hätte dann mit der Ratenstaffel des Vertrages u.U. nichts zu tun.
(2.) Decke schief
Warum eine Decke über einem seitlichen Loggiaelement nicht im Gefälle verlegt sein soll oder darf, erschließt sich der Kammer so (Blatt 10, K 5, K 6) nicht.
(3.) Holz/Kunststoff
Nach Aktenlage ist vorläufig naheliegend, dass eine Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit vorliegen dürfte, was einen Mangel auch dann begründet, wenn Kunststoff „objektiv“ geeignet ist. Ob die Höhe der Beseitigungskosten plausibel ist, kann die Kammer derzeit nicht einschätzen. Der [von den Antragstellern eingeschaltete und im Verfahren zitierte] Privatgutachter (S[...]) ist zwar als kompetent bekannt, aber [s]ein Kurzgutachten (ASt 6) lässt hier nicht viel erkennen, auch nicht in Verbindung mit den freundschaftlichen Hinweisen (ASt 4) an den Vater der Antragsteller.
(4.) Lüftungsebene/Dämmung
Für das Gericht nicht von selbst verständlich ist, warum eine Lüftungsebene über der Wärmedämmung (immer oder aus bestimmten Gründen speziell hier) nötig sein soll (so aber wohl Blatt 11). Zudem sagt das noch nicht einmal ASt 4, sondern stellt nur trocken fest, dass die Lüftungsebene planerisch nicht vorgesehen sei – was daraus folgen soll, sagt ASt 4 nicht. ASt 6 scheint den Punkt nicht mehr aufzugreifen.
(5.) Wohnungsgröße
Das Gericht tendiert zu der Ansicht, dass die hälftige Anrechnung von Balkonen und Terrassen noch keine gravierende Abweichung von einer Verordnung ist, wenn diese die Anrechnung je nach den Gegebenheiten mit (maximal) der Hälfte erlaubt. Für den Kunden ist die hälftige Anrechnung transparent und für sich genommen nachvollziehbar – ob er sie akzeptieren mag, ist seine Sache.
(6.) Stellplatz
Die Kammer hat bisher bei Streit um die Gebrauchstauglichkeit von Garagen bzw. Stellplätzen auf die GaStellVO abgestellt (bzw.) ihre Sachverständigen abstellen lassen, soweit nicht anderes vereinbart war.
2.
Für die Höhe der Sicherheitsleistung waren folgende Erwägungen bestimmend:
Die offenen Beträge summieren sich auf über 90.000,- €. Es kann nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden (siehe oben), dass die Antragsgegnerin das Wohnungseigentum mittlerweile vollständig fertiggestellt hat.
Wäre das der Fall, dann könnte die Antragsgegnerin die Besitzeinräumung nunmehr in der Tat von der vollständigen Entrichtung der Bauträgervergütung abhängig machen. Denn das ergäbe sich dann aus § 320 BGB, ohne dass die Antragsgegnerin diejenigen Klauseln noch heranziehen müsste, die das Gericht oben als unangemessen beanstandet hat. Darum ist die Antragsgegnerin nicht etwa bloß in Höhe der Bezugsfertigkeits-Rate zu besichern, sondern in Höhe aller offenen Beträge, erhöht um einen Zuschlag für mögliche Kosten.
Die Kammer kam im Wege der Rundung auf eine Sicherheit in Höhe von 100.000,- €.
B.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Antragsteller obsiegen mit ihrem Antrag, insbesondere schloss dieser die Sicherheitsleistung bereits ein, so dass in der hier angeordneten Sicherheitsleistung kein Teil-Unterliegen der Antragsteller gesehen werden kann.
C.
Der Streitwert war nach § 63 Abs. 2 GKG zu taxieren. Den Angaben des Antragstellers konnte gefolgt werden (Blatt 21).