Stichworte
Werkvertrag, Arbeiten am Bauwerk, Verjährungsfrist, Prüfung Bauträgervertrag
Bundesgerichtshof
Urteil vom 20.12.2012 – VII ZR 182/10
Leitsatz
1. Bei der Erneuerung eines Trainingsplatzes mit Rollrasen, Rasentragschicht, Bewässerungsanlage, Rasenheizung und Kunstfaserverstärkung handelt es sich um Arbeiten bei einem Bauwerk im Sinne des § 638 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F.
2. Bei Untersuchungen von Proben der Rasentragschicht bei einem solchen Trainingsplatz, die für den Unternehmer erkennbar dazu dienen, die Funktionalität des Trainingsplatzes in seiner Gesamtheit sicherzustellen, handelt es sich ebenfalls um Arbeiten bei einem Bauwerk im Sinne des § 638 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F.
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 12. Oktober 2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin begehrt vom Beklagten, der ein Prüflabor betreibt, Schadensersatz im Zusammenhang mit der Untersuchung von Proben einer Rasentragschicht für einen Sportplatz (Trainingsplatz). Die Klägerin wirft dem Beklagten vor, die in Auftrag gegebenen Untersuchungen nicht sachgerecht durchgeführt zu haben; dadurch sei es zum Einbau nicht ausreichend wasserdurchlässigen Materials und zur Pfützenbildung auf dem Platz gekommen.
Mit Bauvertrag vom März 1999 beauftragte der T. e.V. eine Bietergemeinschaft, bestehend aus der Klägerin und zwei anderen Unternehmen, mit der Erneuerung eines Sportplatzes (Trainingsplatzes). Bei dem Auftrag handelte es sich um einen Gesamtauftrag für die Ausführung eines Rasenplatzes mit Rollrasen, Rasentragschicht, Bewässerungsanlage, Rasenheizung und Kunstfaserverstärkung.
Am 28. Juni 1999 begann die Klägerin mit dem Einbau der Rasentragschicht. Sie ließ an mindestens zwei Tagen Proben der eingebauten Rasentragschicht in das Labor des Beklagten zur Untersuchung bringen. Am 23. Juli 1999 entnahm der Beklagte selbst eine Probe der Rasentragschicht für eine Kontrollprüfung im Auftrag der Klägerin. Das Ergebnis legte er in einem Bericht vom 9. August 1999 dar.
Der T. e.V. rügte im Herbst 1999 die mangelnde Wasserdurchlässigkeit der Rasentragschicht und beauftragte den Beklagten mit einer weiteren Kontrollprüfung, deren Ergebnis dieser in einem Bericht vom 18. Oktober 1999 festhielt.
Mit Antrag vom 23. Mai 2000 leitete der T. e.V. u.a. gegen die Klägerin und den Beklagten ein selbständiges Beweisverfahren ein, in dem die Klägerin dem Beklagten mit Schriftsatz vom 2. April 2002 den Streit verkündete.
Die Klägerin hat in erster Instanz zuletzt beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 188.994,91 € nebst Zinsen und, hilfsweise aus abgetretenem Recht, zur Zahlung von 186.667,67 € nebst Zinsen zu verurteilen sowie zur Feststellung der Kostenerstattungspflicht für das vorstehend genannte selbständige Beweisverfahren. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt und in der Berufungsinstanz beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 188.994,91 € nebst Zinsen und, hilfsweise aus abgetretenem Recht, zur Zahlung von 186.667,67 € nebst Zinsen zu verurteilen sowie, hilfsweise ebenfalls aus abgetretenem Recht, zur Feststellung der Kostenerstattungspflicht für das vorstehend genannte selbständige Beweisverfahren. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Klägerin, die ihre Berufungsanträge weiterverfolgt. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Auf das Rechtsverhältnis der Parteien sind unter Berücksichtigung der für die Verjährung geltenden Überleitungsvorschriften in Art. 229 § 6 EGBGB die bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Gesetze anzuwenden, Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB.
I.
Das Berufungsgericht, dessen Urteil in NJW-RR 2011, 379 veröffentlicht ist, führt im Wesentlichen aus, die Einrede der Verjährung habe Erfolg, so dass etwaige Ersatzansprüche der Klägerin nicht mehr durchzusetzen seien (§ 222 Abs. 1 BGB a.F.). Bei der Erstellung des Trainingsplatzes handele es sich nicht um Arbeiten an einem Bauwerk, sondern um Arbeiten an einem Grundstück. Infolge dessen verjährten die Ansprüche der Klägerin in einem Jahr ab der Abnahme der Leistungen des Beklagten. Eine ausdrückliche Abnahme sei nicht erfolgt, könne aber den Umständen entnommen werden.
Der Einbau einer Rasentragschicht und diverser Leitungen mache den Trainingsplatz nicht zu einem Bauwerk. Vielmehr handele es sich um Arbeiten an einem Grundstück. Der Einbau von Fremdmaterial zur Steigerung der Festigkeit und der Wasserdurchlässigkeit für sich genommen stehe dem nicht entgegen. Der Trainingsplatz habe auch keine dienende Funktion für ein Gebäude, so dass sich auch daraus die Bauwerkseigenschaft nicht ableiten lasse. Aus dem Zweck der Arbeiten (Herstellung einer Rasenoberfläche mit verbesserten Eigenschaften) folge, dass es sich um aufwändige Arbeiten an einem Grundstück handele.
Die Verjährungsfrist habe Mitte 1999 zu laufen begonnen und Mitte des Jahres 2000 geendet. Die als Unterbrechungs- bzw. Hemmungshandlung in Betracht kommende Streitverkündung mit Schriftsatz vom 2. April 2002 im selbständigen Beweisverfahren sei nach Eintritt der Verjährung erfolgt und könne keine Wirkung mehr entfalten.
II.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die Klageabweisung nicht aufrechterhalten werden.
1. Ohne Rechtsfehler und von den Parteien unbeanstandet geht das Berufungsgericht davon aus, dass es sich bei den Leistungen des Beklagten um Werkleistungen handelt, die nach Werkvertragsrecht zu beurteilen sind, und dass bezüglich der geltend gemachten Schäden Schadensersatzansprüche nach § 635 BGB a.F. in Betracht kommen.
2. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht die Erneuerung des Trainingsplatzes und die vom Beklagten vorgenommenen Untersuchungen als Arbeiten an einem Grundstück eingestuft und die einjährige Verjährungsfrist des § 638 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. mit der Folge des Fristablaufs Mitte des Jahres 2000 angewandt.
a) Im Ausgangspunkt geht das Berufungsgericht zutreffend davon aus, dass auf vor dem 1. Januar 2002 bereits verjährte Ansprüche ausschließlich das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung anzuwenden ist (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 72. Aufl., Art. 229 § 6 EGBGB Rn. 3), während auf am 1. Januar 2002 noch nicht verjährte Ansprüche grundsätzlich die Verjährungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung anzuwenden sind, Art. 229 § 6 EGBGB.
b) Bei der Erneuerung des Trainingsplatzes gemäß dem Bauvertrag vom März 1999 handelt es sich um Arbeiten an einem Bauwerk im Sinne des § 638 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F., nicht um Arbeiten an einem Grundstück.
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt die lange Verjährung "bei Bauwerken", wenn das Werk in der Errichtung oder der grundlegenden Erneuerung eines Gebäudes oder eines anderen Bauwerks besteht, wobei unter grundlegender Erneuerung Arbeiten zu verstehen sind, die insgesamt einer ganzen oder teilweisen Neuerrichtung gleichzuachten sind (vgl. BGH, Urteil vom 19. März 2002 – X ZR 49/00, BauR 2002, 1260 = NZBau 2002, 389 = ZfBR 2002, 557; Urteil vom 3. Dezember 1998 – VII ZR 109/97, BauR 1999, 670 = ZfBR 1999, 187). Unter einem Bauwerk im Sinne des § 638 Abs. 1 BGB a.F. wird nach gefestigter Rechtsprechung – ohne dass es auf die sachenrechtliche Einordnung ankäme – eine unbewegliche, durch Verwendung von Arbeit und Material in Verbindung mit dem Erdboden hergestellte Sache verstanden (BGH, Urteil vom 20. Mai 2003 – X ZR 57/02, BauR 2003, 1391 = NZBau 2003, 559 = ZfBR 2003, 674; Urteil vom 4. November 1982 – VII ZR 65/82, BauR 1983, 64 = ZfBR 1983, 82; Urteil vom 16. September 1971 – VII ZR 5/70, BGHZ 57, 60, 61). Der Begriff "Bauwerk" geht weiter als der des Gebäudes (BGH, Urteil vom 4. November 1982 – VII ZR 65/82, BauR 1983, 64 = ZfBR 1983, 82; Urteil vom 16. September 1971 – VII ZR 5/70, BGHZ 57, 60, 61).
Für die Zuordnung einer Werkleistung zu den Arbeiten bei Bauwerken ist neben der Bestimmung zur dauernden Nutzung die für Bauwerke typische Risikolage entscheidend, welche der Grund für die längere Verjährungsfrist ist (vgl. BGH, Urteil vom 12. November 1992 – VII ZR 29/92, BauR 1993, 217 = ZfBR 1993, 76). In den Motiven zum BGB ist als Begründung für die fünfjährige Verjährung angegeben, dass Mängel bei Bauwerken häufig erst spät erkennbar werden, jedoch regelmäßig innerhalb von fünf Jahren auftauchen (Motive, II 489). Es geht dabei typischerweise um die späte Erkennbarkeit von Mängeln aus Gründen der Verdeckung durch aufeinanderfolgende Arbeiten einerseits sowie der Witterung und Nutzung andererseits (vgl. BGH, Urteil vom 30. Januar 1992 – VII ZR 86/90, BGHZ 117, 121, 124).
bb) Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei der Erneuerung des Trainingsplatzes gemäß dem Bauvertrag vom März 1999 um Arbeiten bei einem Bauwerk.
Bei diesen Arbeiten handelt es sich um eine grundlegende Erneuerung des Platzes, die einer Neuerrichtung gleichzuachten ist. Ein Trainingsplatz dieses Zuschnitts mit Rollrasen, Rasentragschicht, Bewässerungsanlage, Rasenheizung und Kunstfaserverstärkung ist hinsichtlich des Risikos der Späterkennbarkeit von Mängeln nicht anders zu beurteilen als ein Gebäude. Die Einordnung der entsprechenden Leistungen als Arbeiten an einem Grundstück lässt unberücksichtigt, dass mehrere nicht dem Grundstück zuzuordnende Komponenten mit diesem fest verbunden worden sind, wodurch die Erneuerung des Platzes erst das wesentliche Gepräge erhält. Demgemäß ist auch das Nutzungs- und Haftungsinteresse und damit der Vertragszweck nicht anders zu sehen. Es handelt sich um eine im Sinne der Anforderungen des § 638 BGB a.F. ortsfeste Anlage, die mit dem Grundstück dauerhaft verbunden ist. Dabei ist die sachenrechtliche Einordnung als wesentlicher Grundstücksbestandteil ohne Bedeutung (vgl. BGH, Urteil vom 30. Januar 1992 – VII ZR 86/90, BGHZ 117, 121, 124). Es genügt, dass die Anlage durch die Vielzahl der verbauten Komponenten mit dem Grundstück so verbunden ist, dass eine bis zum Ablauf der Nutzungszeit nicht beabsichtigte Trennung (vgl. BGH, Urteil vom 4. November 1982 – VII ZR 65/82, BauR 1983, 64, 66 = ZfBR 1983, 82) vom Grundstück nur mit einem größeren Aufwand möglich ist. Die Erneuerung des Trainingsplatzes stellt mehr dar als eine kunstgerecht ausgeführte Veränderung des natürlichen Zustandes des Grund und Bodens. Zu Unrecht beruft sich das Berufungsgericht auf das Urteil des Senats vom 17. Dezember 1992 – VII ZR 45/92, BGHZ 121, 94, 96 f. Der Senat hat nicht entschieden, dass es sich bei dem Einbau von Rohrnetzen in den Grund und Boden nicht um Arbeiten am Bauwerk handelt, sondern das Gegenteil. Die Leistung eines Ingenieurs, Pläne der vorhandenen Rohrleitungen zu erstellen, wurde lediglich deshalb als Arbeiten an einem Grundstück eingeordnet, weil die Pläne nicht der grundlegenden Erneuerung des Leitungsnetzes dienen sollten und deshalb nicht Arbeiten an einem Bauwerk zu dienen bestimmt waren (BGH aaO).
c) Auch bei den vom Beklagten vorgenommenen Untersuchungen von Proben der Rasentragschicht handelt es sich um Arbeiten bei einem Bauwerk.
aa) Geistige Leistungen, die der Errichtung oder grundlegenden Erneuerung eines bestimmten Bauwerks dienen, sind der Errichtung des Bauwerks zuzuordnen; für sie gilt die Verjährungsregelung des § 638 BGB a.F. für Bauwerke (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 1992 – VII ZR 45/92, BGHZ 121, 94, 97). Hierzu zählen etwa Leistungen eines Geologen, der Bodenuntersuchungen für die Gründungsarbeiten beim Bau eines Gebäudes durchführt (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 1978 – VII ZR 249/77, BGHZ 72, 257, 260), oder Leistungen eines Vermessungsingenieurs, der damit betraut ist, auf einem Baugrundstück den Standort des darauf zu errichtenden Hauses einzumessen und abzustecken (vgl. BGH, Urteil vom 9. März 1972 – VII ZR 202/70, BGHZ 58, 225, 228 f.).
bb) Dementsprechend sind auch die vom Beklagten vorgenommenen Untersuchungen von Proben der Rasentragschicht der Bauwerkserrichtung zuzuordnen. Diese Leistungen weisen einen hinreichenden und für den Beklagten auch ohne Weiteres erkennbaren Bezug zu dem bestimmten Bauwerk "Trainingsplatz" auf. Sie dienen dazu, die Funktionalität des Trainingsplatzes in seiner Gesamtheit sicherzustellen. Insbesondere die Begutachtung der Rasentragschicht auf Wasserdurchlässigkeit ist für die Verwendbarkeit des Platzes als Trainingsplatz von erheblicher Bedeutung.
d) Der Senat kann die Frage der Verjährung mangels hinreichender Feststellungen nicht selbst entscheiden. Am 1. Januar 2002 war die fünfjährige Verjährungsfrist des § 638 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. noch nicht abgelaufen. Auf die Verjährung eines am 1. Januar 2002 noch nicht verjährten Schadensersatzanspruchs nach § 635 BGB a.F. findet § 634a BGB n.F. Anwendung (BGH, Urteil vom 24. Februar 2011 – VII ZR 61/10, BauR 2011, 1032 Rn. 17 = NZBau 2011, 310 = ZfBR 2011, 461). Das Berufungsgericht hat – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – keine Feststellungen zu einer etwaigen Hemmung der Verjährung durch Rechtsverfolgungsmaßnahmen nach dem 1. Januar 2002 getroffen.
3. Das Berufungsurteil kann somit nicht bestehen bleiben. Es ist aufzuheben. Da weitere Feststellungen zur Berechtigung der Haupt- und gegebenenfalls der Hilfsanträge zu treffen sind, ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
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