Frei­heit von Alt­las­ten im Grundwasser

Stich­wor­te:
Frei­heit von Alt­las­ten im Grundwasser

Bun­des­ge­richts­hof
Urteil vom 30.11.2012 – V ZR 25/12

Leit­satz

Ein zu Wohn­zwe­cken genutz­tes Grund­stück ist mit einem Sach­man­gel im Sin­ne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB behaf­tet, wenn es von Grund­was­ser durch­strömt wird, das mit Gift­stof­fen (Cya­ni­de) belas­tet ist.

Tenor

Auf die Revi­si­on der Klä­ger wird das Urteil des 3. Zivil­se­nats des Kam­mer­ge­richts vom 9. Dezem­ber 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung, auch über die Kos­ten des Revi­si­ons­ver­fah­rens, an das Beru­fungs­ge­richt zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tat­be­stand

Mit nota­ri­el­lem Ver­trag vom 12. (Ange­bot der Klä­ger) und 22. Novem­ber 2005 (Annah­me der Beklag­ten) kauf­ten die Klä­ger von der Beklag­ten eine Eigen­tums­woh­nung in einer Wohn­an­la­ge in B.        zu einem Preis von 136.970 €. Das dazu­ge­hö­ren­de Grund­stück ist Teil einer Gesamt­flä­che, auf der bis zum Jah­re 1953 eine Gas­an­stalt betrie­ben wur­de. Die Flä­che wur­de in dem Boden­be­las­tungs­ka­tas­ter des Lan­des B.    als Alt­last geführt, wor­über die Behör­de die Beklag­te im Jah­re 2003 schrift­lich unter­rich­tet hat­te. Nach Durch­füh­rung von Boden­un­ter­su­chun­gen hat­te die Behör­de der Beklag­ten in einem Schrei­ben vom 10. August 2005 mit­ge­teilt, dass sie das Grund­stück hin­sicht­lich aller Wir­kungs­pfa­de vom Ver­dacht auf schäd­li­che Boden­ver­än­de­run­gen befreie; das Grund­stück wer­de jedoch von cya­nid­hal­ti­gem Was­ser durch­strömt, wes­halb bei Bau­ar­bei­ten, die bis in den Grund­was­ser­an­schnitt reich­ten, in Abstim­mung mit der Ver­wal­tung eine Rei­ni­gung des wäh­rend der Bau­maß­nah­me geför­der­ten Grund­was­sers erfor­der­lich sei.

In dem nota­ri­el­len Ver­trag ist die Haf­tung der Ver­käu­fe­rin für Sach­män­gel des Kauf­ge­gen­stands aus­ge­schlos­sen wor­den. Die Ange­bots­er­klä­rung ent­hält die Hin­wei­se, dass die Flä­che im Boden­be­las­tungs­ka­tas­ter als Alt­last geführt wur­de, die Senats­ver­wal­tung für Stadt­ent­wick­lung jedoch mit Schrei­ben vom 10. August 2005 bestä­tigt habe, dass das ver­kauf­te Flur­stück hin­sicht­lich aller Wir­kungs­pfa­de vom Ver­dacht auf schäd­li­che Boden­ver­än­de­run­gen befreit sei, und den Ver­merk, dass dem Erwer­ber der Inhalt die­ses Schrei­bens bekannt sei.

Die Klä­ger erklär­ten im Juli 2008 den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag, mit der Begrün­dung, dass die Erklä­run­gen der Beklag­ten den wah­ren Sach­ver­halt bezüg­lich der im Boden und im Grund­was­ser ent­hal­te­nen Alt­las­ten nur bruch­stück­haft und beschö­ni­gend wie­der­ge­ge­ben hät­ten. Die in der Urkun­de zitier­ten behörd­li­chen Schrei­ben sei­en ihnen nicht bekannt gewe­sen. Ihre Kla­ge auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses zzgl. Zin­sen Zug um Zug gegen Rück­über­eig­nung der Woh­nung, auf Frei­stel­lung von den zur Finan­zie­rung des Kaufs auf­ge­nom­me­nen, über den Kauf­preis hin­aus­ge­hen­den Dar­le­hens­schul­den sowie von wei­te­ren, ihnen durch den Erwerb ent­stan­de­nen Ver­bind­lich­kei­ten, auf Fest­stel­lung des Annah­me­ver­zugs und Ver­ur­tei­lung zur Zah­lung außer­ge­richt­li­cher Kos­ten in Höhe von 2.895,03 € nebst Zin­sen hat das Land­ge­richt abge­wie­sen. Die Beru­fung der Klä­ger ist erfolg­los geblie­ben. Mit der von dem Kam­mer­ge­richt zuge­las­se­nen Revi­si­on ver­fol­gen die Klä­ger ihre Kla­ge­an­trä­ge weiter.

Ent­schei­dungs­grün­de

I.

Das Beru­fungs­ge­richt meint, dass den Klä­gern weder Ansprü­che wegen eines Sach­man­gels noch wegen Ver­let­zung vor­ver­trag­li­cher Auf­klä­rungs­pflich­ten zustün­den. Zwar stel­le der Alt­las­ten­ver­dacht einen Sach­man­gel des mit der Woh­nung ver­kauf­ten Mit­ei­gen­tums­an­teils an dem Grund­stück dar; die sich dar­aus erge­ben­den Ansprü­che sei­en aber nach § 442 Abs. 1 Satz 1 BGB aus­ge­schlos­sen, weil die Klä­ger die­sen Man­gel gekannt hät­ten. Das Grund­was­ser sei kein Bestand­teil des Grund­stücks, so dass des­sen Belas­tung für sich genom­men kei­nen Man­gel begrün­de. Soweit die Klä­ger aus die­sem Grun­de eine Beein­träch­ti­gung des Grund­stücks behaup­te­ten, schei­de ein Anspruch wegen des Haf­tungs­aus­schlus­ses aus. Die Beru­fung der Beklag­ten dar­auf sei nicht nach § 444 BGB unwirk­sam; denn die Klä­ger hät­ten schon nicht vor­ge­tra­gen, dass der Beklag­ten eine Ver­un­rei­ni­gung des Bodens zum Zeit­punkt des Ver­trags­schlus­ses bekannt gewe­sen sei. Ansprü­che wegen einer schuld­haf­ten Auf­klä­rungs­pflicht­ver­let­zung bestün­den nicht, weil die Beklag­te über die Kon­ta­mi­na­ti­on des Grund­was­sers nicht habe infor­mie­ren müs­sen. Der Ver­trags­zweck sei dadurch nicht gefähr­det gewe­sen. Das Grund­stück sei nach dem von dem Gericht ein­ge­hol­ten Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten ohne Ein­schrän­kun­gen zum Woh­nen geeig­net, wes­halb der von den Klä­gern mit dem Kauf ver­folg­te Zweck, Ein­künf­te aus der Ver­mie­tung der Woh­nung zu erzie­len, durch die Cya­nid­be­las­tung des Grund­was­sers nicht in Fra­ge gestellt wer­de. Eine von den Klä­gern bloß sub­jek­tiv emp­fun­de­ne Bedro­hung begrün­de kei­ne Auf­klä­rungs­pflicht des Ver­käu­fers. Sie müss­ten sich viel­mehr einem objek­ti­ven, durch aner­kann­te Grenz- und Richt­wer­te bestimm­ten Maß­stab unterwerfen.

II.

Das hält einer revi­si­ons­recht­li­chen Prü­fung nicht stand.

1. Das Beru­fungs­ge­richt ver­neint rechts­feh­ler­haft Ansprü­che der Klä­ger auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses wegen eines Sach­man­gels (§ 437 Nr. 2 Fall 1, §§ 440, 323, 326 Abs. 5, § 346 Abs. 1 BGB).

a) Ein Sach­man­gel eines Grund­stücks im Sin­ne des § 434 Abs. 1 BGB kann auch dann vor­lie­gen, wenn zwar nicht der Boden, aber das durch das Grund­stück flie­ßen­de Grund­was­ser mit gif­ti­gen Schad­stof­fen belas­tet ist. So ist es hier.

aa) Uner­heb­lich ist in die­sem Zusam­men­hang, dass das Grund­was­ser, auf das sich das Eigen­tums­recht des Ver­käu­fers am Grund­stück nicht erstreckt (BVerfGE 58, 300, 332 f.), nicht Teil der Kauf­sa­che ist. Die den Man­gel aus­lö­sen­de Beschaf­fen­heit der Kauf­sa­che wird in die­sem Fall durch die tat­säch­li­che Bezie­hung des Grund­stücks zu sei­ner Umwelt begrün­det, hier durch des­sen Nach­bar­schaft zu einem kon­ta­mi­nier­ten Grund­stück, von dem aus Schad­stof­fe über das Grund­was­ser emit­tiert wer­den. Dass ein Sach­man­gel in den wirt­schaft­li­chen, sozia­len oder recht­li­chen Bezie­hun­gen der Sache zu ihrer Umwelt begrün­det sein kann, die die Brauch­bar­keit oder den Wert der Sache beein­flus­sen, ent­spricht der stän­di­gen Recht­spre­chung (vgl. Senats­ur­tei­le vom 9. Juli 1976 – V ZR 256/75, BGHZ 67, 134, 136; vom 18. Novem­ber 1977 – V ZR 172/76, BGHZ 70, 47, 49; vom 10. Juli 1987 – V ZR 236/85, NJW-RR 1988, 10, 11 und vom 22. Febru­ar 1991 – V ZR 299/89, NJW 1991, 1673, 1675).

(1) Nach dem bis zum 31. Dezem­ber 2001 gel­ten­den Gewähr­leis­tungs­recht stell­ten Umwelt­be­zie­hun­gen, die die Brauch­bar­keit oder den Wert der Kauf­sa­che nega­tiv beein­flus­sen, aller­dings nur dann einen Feh­ler im Sin­ne des § 459 Abs. 1 BGB a.F. dar, wenn sie ihren Grund in der Beschaf­fen­heit der Sache hat­ten und sich nicht erst durch Her­an­zie­hung von außer­halb des Kauf­ge­gen­stands lie­gen­den Ver­hält­nis­sen oder Umstän­den erga­ben (vgl. Senats­ur­tei­le vom 9. Juli 1976 – V ZR 256/75, aaO; vom 18. Novem­ber 1977 – V ZR 172/76, aaO; vom 10. Juli 1987 – V ZR 236/85, aaO und vom 22. Febru­ar 1991 – V ZR 299/89, aaO). Der Senat hat vor die­sem Hin­ter­grund offen gelas­sen, ob über die Luft ver­mit­tel­te, von einen benach­bar­ten Klär­werk aus­ge­hen­de Geruchs­be­läs­ti­gun­gen einen Feh­ler im Sin­ne des § 459 Abs. 1 BGB dar­stel­len (Senats­ur­teil vom 10. Juli 1987 – V ZR 236/85, aaO).

(2) Nach dem seit dem 1. Janu­ar 2002 gel­ten­den und hier anzu­wen­den­den Kauf­recht sind sol­che von einem benach­bar­ten Grund­stück aus­ge­hen­de, über die Luft oder das Grund­was­ser über­tra­ge­ne Umwelt­ein­wir­kun­gen als eine (nega­ti­ve) Beschaf­fen­heit der Kauf­sa­che im Sin­ne des § 434 Abs. 1 BGB anzu­se­hen. Der Senat hat bereits aus­ge­führt, dass die Neu­re­ge­lung die frü­he­re Unter­schei­dung zwi­schen Feh­lern (§ 459 Abs. 1 BGB a.F.) und zusi­che­rungs­fä­hi­gen Eigen­schaf­ten (§ 459 Abs. 2 BGB a.F.) ein­ge­eb­net hat (Senats­ur­teil vom 5. Novem­ber 2010 – V ZR 228/09, NJW 2011, 1217, 1218). Als Eigen­schaf­ten einer Sache sind neben ihrer phy­si­schen Beschaf­fen­heit alle tat­säch­li­chen und recht­li­chen Ver­hält­nis­se anzu­se­hen, wel­che die Bezie­hung der Sache zur Umwelt betref­fen und wegen ihrer Art und Dau­er die Brauch­bar­keit oder den Wert der Sache beein­flus­sen (vgl. Senat, Urteil vom 19. Dezem­ber 1980 – V ZR 185/79, BGHZ 79, 183, 185). Vor die­sem Hin­ter­grund gehö­ren die Bezie­hun­gen der Kauf­sa­che zur Umwelt jeden­falls dann zu ihrer Beschaf­fen­heit im Sin­ne des § 434 Abs. 1 BGB, wenn sie in irgend­ei­ner Wei­se mit ihren phy­si­schen Eigen­schaf­ten zusam­men­hän­gen (vgl. Bamberger/Roth/Faust, BGB, 3. Aufl., § 434 Rn. 22; Erman/Grunewald, BGB, 13. Aufl., § 434 Rn. 4; MünchKommBGB/Westermann, 6. Aufl., § 434 Rn. 9). Ein sol­cher Zusam­men­hang ist bei Grund­was­ser gege­ben, das den zum ver­kauf­ten Grundstück(santeil) gehö­ren­den Erd­kör­per durch­strömt. Ist das Grund­was­ser mit Cya­nid belas­tet, weil das Grund­stück in der Nähe einer ande­ren kon­ta­mi­nier­ten Flä­che liegt, von dem aus die Schad­stof­fe emit­tiert wer­den, kann ein Sach­man­gel auch dann vor­lie­gen, wenn das ver­kauf­te Grund­stück – wie hier – selbst nicht kon­ta­mi­niert ist (vgl. Frey, Haf­tung für Alt­las­ten, S. 124; Kno­che, NJW 1995, 1985, 1987).

bb) Die ver­kauf­te Eigen­tums­woh­nung ist des­we­gen mit einem Sach­man­gel behaftet.

(1) Dies ist hier nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB zu beur­tei­len, da die Ver­trags­par­tei­en weder eine sog. nega­ti­ve Beschaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung ver­ein­bart (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB) noch eine beson­de­re Ver­wen­dung nach dem Ver­trag vor­aus­ge­setzt (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB) haben. Das Grund­stück ist zwar als Alt­las­ten­ver­dachts­flä­che ver­kauft wor­den. Hier­in ist aber kei­ne Beschaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung, son­dern (nur) ein Haf­tungs­aus­schluss für Boden­kon­ta­mi­nie­run­gen zu sehen (dazu unter b). Wol­len die Ver­trags­par­tei­en, dass das Grund­stück als eine mit Schad­stof­fen kon­ta­mi­nier­te Flä­che ver­kauft sein soll, müs­sen sie eine ent­spre­chen­de kon­kre­te Beschaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung tref­fen (vgl. Faust, Fest­schrift Picker, 185, 189; Her­tel in Krüger/Hertel, Der Grund­stücks­kauf, 10. Aufl., Rn. 1111 ff.). Davon kann jedoch kei­ne Rede sein, wenn – wie hier – das Grund­stück als ein von dem Ver­dacht auf schäd­li­che Boden­ver­än­de­run­gen frei­ge­stell­tes Grund­stück ver­kauft wor­den ist. Eine beson­de­re Ver­wen­dungs­eig­nung der ver­kauf­ten Eigen­tums­woh­nung ist eben­falls weder ver­ein­bart noch nach dem Ver­trag vor­aus­ge­setzt worden.

(2) Nach § 434 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BGB ist die Sache nur dann frei von Sach­män­geln, wenn sie sich für die gewöhn­li­che Ver­wen­dung eig­net und eine Beschaf­fen­heit auf­weist, die bei Sachen der glei­chen Art üblich ist und die der Käu­fer nach der Art der Sache erwar­ten kann. Die in der Vor­schrift genann­ten Merk­ma­le der Sache (Ver­wen­dungs­eig­nung und übli­che Beschaf­fen­heit) müs­sen kumu­la­tiv vor­lie­gen, damit die Sache man­gel­frei ist (Bamberger/Roth/Faust, BGB, 3. Aufl., § 434 Rn. 53). Das ist hier nicht der Fall.

(a) Zwar mag die Kauf­sa­che zur gewöhn­li­chen Ver­wen­dung (zum Woh­nen) geeig­net sein, weil schä­di­gen­de Ein­wir­kun­gen durch von dem kon­ta­mi­nier­ten Grund­was­ser aus­ga­sen­den Cyan­was­ser­stoff weder auf die Haus­be­woh­ner noch auf die Anpflan­zun­gen zu erwar­ten sind. Die Kauf­sa­che weist aber nicht die übli­che Beschaf­fen­heit eines zu Wohn­zwe­cken genutz­ten Grund­stücks auf.

(b) Zu die­ser Beschaf­fen­heit gehört die Frei­heit von nicht nur uner­heb­li­chen Kon­ta­mi­na­tio­nen des Grund­was­sers. Mit den gif­ti­gen Stof­fen (Cya­ni­den) sind näm­lich beson­de­re Gefah­ren und Risi­ken ver­bun­den, die ein Käu­fer in der Regel ohne wei­te­res nicht hin­zu­neh­men bereit ist. Sol­che erge­ben sich schon dar­aus, dass die Höhe des Grund­was­ser­stands nicht kon­stant ist und in beson­de­ren Situa­tio­nen (Hoch­was­ser­la­gen) das Grund­was­ser an die Erd­ober­flä­che tre­ten und in die Unter­ge­schos­se ein­drin­gen kann. Zur übli­chen Beschaf­fen­heit eines bebau­ten Grund­stücks gehört es auch nicht, dass – wie in dem Schrei­ben der Behör­de vom 10. August 2005 aus­ge­führt – bei Bau­maß­nah­men auf dem Grund­stück, die eine Grund­was­ser­hal­tung erfor­dern, beson­de­re Schutz­maß­nah­men zur Dekon­ta­mi­na­ti­on des an die Ober­flä­che geför­der­ten Grund­was­sers not­wen­dig sind. Dass sol­che Bau­maß­nah­men in abseh­ba­rer Zeit nicht zu erwar­ten sind, recht­fer­tigt ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Beru­fungs­ge­richts kei­ne ande­re Beur­tei­lung. Abge­se­hen davon, dass es im Rah­men von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB auf die objek­ti­ve Beschaf­fen­heit von Sachen glei­cher Art und somit auf eine abs­trak­te Sicht­wei­se ankommt, kön­nen Bau­män­gel, Um- oder Aus­bau­ten am Gebäu­de oder auch außer­ge­wöhn­li­che Ereig­nis­se (Brand, Explo­si­on) eine Grund­was­ser­hal­tung erfor­dern­de Bau­maß­nah­men vor Ablauf der übli­chen Nut­zungs­dau­er des Hau­ses erfor­der­lich machen.

b) Die Ansprü­che der Klä­ger wegen die­ses Sach­man­gels sind nicht schon des­halb aus­ge­schlos­sen, weil das Grund­stück als Alt­las­ten­ver­dachts­flä­che ver­kauft und ein Haf­tungs­aus­schluss für Sach­män­gel ver­ein­bart wor­den ist.

aa) Aller­dings nimmt das Beru­fungs­ge­richt zutref­fend an, dass der Grund­stücks­ver­käu­fer grund­sätz­lich nicht haf­tet, sofern er den Käu­fer vor Ver­trags­schluss (was aller­dings not­wen­dig ist: Senats­ur­tei­le vom 12. Juli 1991 – V ZR 121/90, NJW 1991, 2900, 2901; vom 3. März 1995 – V ZR 43/94, NJW 1995, 1549, 1550; vom 2. Febru­ar 1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30, 32; vom 1. Okto­ber 1999 – V ZR 218/98, NJW 1999, 3777, 3778 und vom 20. Okto­ber 2000 – V ZR 285/99, NJW 2001, 64) auf den Alt­las­ten­ver­dacht hin­ge­wie­sen hat. Der Käu­fer, der nach einem sol­chen Hin­weis das Grund­stück unter Ver­ein­ba­rung eines Haf­tungs­aus­schlus­ses kauft, trägt das Risi­ko, dass sich der Ver­dacht als begrün­det erweist.

bb) Anders ver­hält es sich jedoch, wenn der Ver­käu­fer bei Ver­trags­schluss bereits weiß, dass der Ver­dacht begrün­det ist; denn ein Ver­käu­fer, der einen Man­gel arg­lis­tig ver­schweigt, kann sich nach § 444 BGB nicht auf den ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Haf­tungs­aus­schluss beru­fen (vgl. Senat, Urteil vom 20. Okto­ber 2000 – V ZR 285/99, NJW 2001, 64). Das kommt hier in Betracht.

(1) Die Beklag­te hat­te auf­grund des Schrei­bens der Behör­de vom 10. August 2005 Kennt­nis von der Belas­tung des Grund­was­ser­stroms. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Beru­fungs­ge­richts hät­te sie die Klä­ger dar­über auf­klä­ren müs­sen. Der Ver­käu­fer darf sein kon­kre­tes Wis­sen über Schad­stoff­be­las­tun­gen nicht zurück­hal­ten (Senat, Urteil vom 20. Okto­ber 2000 – V ZR 285/99, aaO). Er muss den Käu­fer nicht nur über Schad­stoff­be­las­tun­gen des ver­kauf­ten Grund­stücks selbst (über schäd­li­che Boden­ver­än­de­run­gen im Sin­ne des § 2 Abs. 3 BBo­dSchG), son­dern auch über die Zufüh­rung von gif­ti­gen Schad­stof­fen infor­mie­ren, die von einem kon­ta­mi­nier­tem Nach­bar­grund­stück aus­ge­hen (vgl. OLG Schles­wig, OLGR 2005, 709, 711). Die von dort emit­tier­ten Schad­stof­fe kön­nen – wie im Boden vor­han­de­ne – die Ver­wen­dungs­eig­nung des ver­kauf­ten Grund­stücks beein­träch­ti­gen oder Gefah­ren und Risi­ken dafür darstellen.

(2) Das bewuss­te Zurück­hal­ten sol­cher Infor­ma­tio­nen stell­te sich als ein arg­lis­ti­ges Ver­schwei­gen des Man­gels dar. Ob die Beklag­te die Kon­ta­mi­na­ti­on des Grund­was­sers recht­lich zutref­fend als Sach­man­gel gewür­digt hat, ist ohne Belang (Senat, Beschluss vom 8. Dezem­ber 2006 – V ZR 249/05, NJW 2007, 835, 836 Rn. 8). Ein arg­lis­ti­ges Ver­schwei­gen kommt näm­lich bereits dann in Betracht, wenn der Ver­käu­fer den Man­gel kennt oder ihn zumin­dest für mög­lich hält, wobei es genügt, dass er die den Man­gel begrün­den­den Umstän­de kennt (vgl. Senat, Urtei­le vom 7. März 2003 – V ZR 437/01, NJW-RR 2003, 989, 990 und vom 16. März 2012 – V ZR 18/11, NJW-RR 2012, 1078, 1079 Rn. 24).

2. Nicht von Rechts­feh­lern frei sind auch die Aus­füh­run­gen des Beru­fungs­ge­richts zu einem Scha­dens­er­satz­an­spruch wegen Ver­schul­dens bei Ver­trags­schluss nach § 280 i.V.m. § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

a) Die Kla­ge kann auch auf einen sol­chen Anspruch gestützt wer­den. Zwar sind Ansprü­che aus vor­ver­trag­li­chem Ver­schul­den, wenn es um Ver­hal­tens­pflich­ten des Ver­käu­fers im Zusam­men­hang mit der Beschaf­fen­heit der Kauf­sa­che geht, grund­sätz­lich durch die vor­ran­gi­gen Vor­schrif­ten über die Haf­tung des Ver­käu­fers wegen Sach­män­geln nach §§ 434 ff. BGB aus­ge­schlos­sen. Das gilt jedoch nicht, wenn dem Ver­käu­fer ein vor­sätz­li­ches Ver­hal­ten zur Last fällt (Senat, Urteil vom 27. März 2009 – V ZR 30/08, BGHZ 180, 205, 210 ff.).

b) Das kommt hier im Hin­blick dar­auf in Betracht, dass in dem Kauf­ver­trag nur der für die Beklag­te güns­ti­ge Teil des Schrei­bens der Behör­de vom 10. August 2005 – die Befrei­ung des ver­kauf­ten Grund­stücks von dem Ver­dacht einer schäd­li­chen Boden­ver­än­de­rung – mit­ge­teilt, die für die­se ungüns­ti­ge Infor­ma­ti­on über die Schad­stoff­be­las­tung des Grund­was­sers aber nicht erwähnt wor­den ist. Die­se stellt aber – wie vor­ste­hend aus­ge­führt – einen Man­gel und damit auch einen für den Ver­trags­ent­schluss eines Käu­fers wesent­li­chen Umstand dar, über den die Beklag­te die Klä­ger von sich aus hät­te infor­mie­ren müssen.

III.

Das Beru­fungs­ur­teil kann daher kei­nen Bestand haben. Es ist auf­zu­he­ben und die Sache an das Beru­fungs­ge­richt zurück­zu­ver­wei­sen, da der Rechts­streit auf der Grund­la­ge der bis­he­ri­gen Fest­stel­lun­gen nicht ent­schei­dungs­reif ist.

1. Die Beklag­te hät­te aller­dings bereits ihrer Auf­klä­rungs­pflicht Genü­ge getan, wenn, wie von ihr ihr behaup­tet, der Ver­mitt­ler W.     den Klä­gern (eine Kopie) des Schrei­bens der Behör­de vom 10. August 2005 über­ge­ben hät­te. Ein Ver­käu­fer muss auf einen Man­gel nicht aus­drück­lich hin­wei­sen, wenn er dem Käu­fer vor Ver­trags­schluss Unter­la­gen über­reicht hat, aus denen sich die Man­gel­haf­tig­keit der Sache ergibt, und er des­we­gen die berech­tig­te Erwar­tung haben kann, dass der Käu­fer die­se Unter­la­gen unter die­sem Gesichts­punkt gezielt durch­se­hen und zur Grund­la­ge sei­ner Kauf­ent­schei­dung machen wird (vgl. Senat, Urtei­le vom 12. Novem­ber 2010 – V ZR 181/09, BGHZ 188, 43, 46 Rn. 11 und vom 11. Novem­ber 2011 – V ZR 245/10, NJW 2012, 846, 847 Rn. 7). Davon kann in dem Revi­si­ons­ver­fah­ren jedoch nicht aus­ge­gan­gen wer­den, da das Vor­brin­gen der Beklag­ten von den Klä­gern bestrit­ten wor­den ist und die von den Par­tei­en dazu ange­bo­te­nen Bewei­se nicht erho­ben wor­den sind.

2. Das Beru­fungs­ge­richt hat zudem – von sei­nem Stand­punkt aus fol­ge­rich­tig – kei­ne Fest­stel­lun­gen zum sub­jek­ti­ven Tat­be­stand des arg­lis­ti­gen Ver­schwei­gens des durch die Kon­ta­mi­na­ti­on des Grund­was­sers begrün­de­ten Man­gels getroffen.

a) Das ist jedoch erfor­der­lich, weil ein arg­lis­ti­ges Ver­schwei­gen neben der Kennt­nis des Ver­käu­fers von dem Man­gel vor­aus­setzt, dass die­ser weiß oder zumin­dest damit rech­net und bil­li­gend in Kauf nimmt, dass der Käu­fer den Man­gel nicht kennt und bei Offen­ba­rung den Ver­trag nicht oder nicht mit dem ver­ein­bar­ten Inhalt geschlos­sen hät­te (Senat, Beschluss vom 8. Dezem­ber 2006 – V ZR 249/05, NJW 2007, 835, 836 Rn. 9; Urteil vom 12. Novem­ber 2010 – V ZR 181/09, BGHZ 188, 43, 48 Rn. 14).

b) In die­sem Zusam­men­hang ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass die Beklag­te sich auf die im nota­ri­el­len Ange­bot ent­hal­te­ne Erklä­rung der Klä­ger, ihnen sei der Inhalt des Schrei­bens der Behör­de vom 10. August 2005 bekannt, nicht wird beru­fen kön­nen, wenn es sich hier­bei um eine von ihr gestell­te Ver­trags­be­din­gung im Sin­ne von § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB han­delt. Dies ergibt sich aus der Vor­schrift des § 309 Nr. 12 b BGB, nach der von dem Ver­wen­der vor­for­mu­lier­te Bestä­ti­gun­gen von Tat­sa­chen durch die ande­re Ver­trags­par­tei, wel­che die Beweis­last zu deren Nach­teil ändern oder auch nur die Anfor­de­run­gen an die Beweis­füh­rung erhö­hen, unwirk­sam sind (vgl. BGH, Urtei­le vom 28. Janu­ar 1987 – IV ZR 173/85, BGHZ 99, 374, 380 und vom 20. April 1989 – IX ZR 214/88, NJW-RR 1989, 817). Dass es sich hier um vor­for­mu­lier­te Ver­trags­be­din­gun­gen han­delt, liegt zwar nahe, weil zunächst die Beklag­te Kennt­nis vom Alt­las­ten­ver­dacht und den an sie gerich­te­ten behörd­li­chen Schrei­ben hat­te, ist aber von dem Beru­fungs­ge­richt nicht fest­ge­stellt wor­den. Das wird gege­be­nen­falls nach­zu­ho­len sein.

Stre­se­mann                            Czub                            Brückner

                      Wein­land                         Kazele

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