Stichworte
Reservierungsvereinbarung, Reservierungsentgelt, Prüfung Bauträgervertrag, Bauträger, Beurkundungspflicht, unangemessene Benachteiligung
Bundesgerichtshof
Urteil vom 23.09.2010 – III ZR 21/10
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 8. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsrechtszugs zu tragen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die Kläger interessierten sich für den Kauf einer von der Beklagten im Namen und für Rechnung der B. B. AG, für die sie als Baubetreuerin tätig war, errichteten Eigentumswohnung. Am 8. Juli 2008 unterzeichneten sie einen "Auftrag zur Vorbereitung eines notariellen Kaufvertrages und Finanzierungsbearbeitung", in dem der vorgesehene Kaufpreis von insgesamt 296.000 € handschriftlich eingetragen war und den die Beklagte am 10. Juli 2008 gegenzeichnete. Soweit hier von Bedeutung, wurde darin vereinbart:
"Auftrag und Zahlungsverpflichtung Der Kaufinteressent beauftragt hiermit die B. B. GmbH, die den Verkaufsinteressenten als Betreuer vertritt, sämtliche notwendigen Vorbereitungen zur Beurkundung des Kaufvertrages zwischen dem Verkaufsinteressenten und ihm zu treffen. Die B. B. GmbH wird somit im einzelnen beauftragt:
a) die Beurkundung des Kaufvertrages vorzubereiten;
b) die Finanzierungsunterlagen des Kaufinteressenten zu bearbeiten (...);
c) mit Unterzeichnung dieses Auftrages die Wohnung/das Eigenheim anderweitig nicht mehr anzubieten, sondern sie/es für den Kaufinteressenten reserviert zu halten.
Für diese Tätigkeit verpflichtet sich der Kaufinteressent, an die B. B. GmbH einen Betrag von € 1.500,- zu bezahlen. Dieser Betrag ist mit Unterschrift auf diesem Auftrag zur Zahlung fällig ... Bei Abschluss des Kaufvertrages wird dieser Betrag mit der ersten Kaufpreisrate verrechnet. Kommt es nicht zum Abschluss des Kaufvertrages, sind € 750,- als Tätigkeitsentgelt für die Reservierung (Verzicht auf weiteres Anbieten) verdient. Die weiteren € 750,- gelten als Ausgleich für die Vorbereitung des notariellen Kaufvertrages und werden nur anteilig je nach Bearbeitungsstand zurückerstattet. ..."
Mit Schreiben vom 21. Juli 2008 teilten die Kläger der Beklagten mit, dass sie am Erwerb der Wohnung nicht mehr interessiert seien und verlangten die von ihnen bereits gezahlten 1.500 € zurück. Die Beklagte erstattete den Klägern "kulanterweise" 750 € mit dem Bemerken, dass sie die ihr zwischenzeitlich entstandenen Aufwendungen nicht in Abzug gebracht habe. Die Forderung auf Rückzahlung der restlichen 750 € lehnte sie ab.
Auf die daraufhin erhobene Klage hat das Amtsgericht die Beklagte zur Zahlung dieses Betrages verurteilt. Ihre hiergegen gerichtete Berufung blieb ohne Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter; sie ist der Auffassung, das allein noch im Streit befindliche Reservierungsentgelt könne auch im Rahmen Allgemeiner Geschäftsbedingungen wirksam vereinbart werden.
Gründe
Die Revision der Beklagten ist zulässig, in der Sache bleibt sie jedoch ohne Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung unter anderem wie folgt begründet: Zwar sei die Beklagte nicht als Maklerin tätig geworden und aufgrund ihrer Verflechtung mit der Verkäuferin von einer derartigen Tätigkeit ausgeschlossen gewesen. Die von der Rechtsprechung für den Maklervertrag entwickelten Grundsätze seien aber auf die vorliegende Vermittlungstätigkeit durch die Beklagte erst recht anzuwenden. Danach könne in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wie sie auch hier vorlägen, eine erfolgsunabhängige Provision nicht wirksam vereinbart werden. Als solche stelle sich das "Tätigkeitsentgelt für die Reservierung" dar, das die Beklagte nach der getroffenen Regelung bei Nichtabschluss eines Kaufvertrags für bloßes Nichtstun einbehalten könne. Entsprechendes gelte für die weiteren 750 €, die als Ausgleich für die Vorbereitung des notariellen Kaufvertrags zu zahlen gewesen seien. Eine dahingehende Übereinkunft lasse den Bezug zu den tatsächlich ersatzfähigen Aufwendungen vermissen und sei auch der Höhe nach nicht mehr angemessen. Der Zusatz, dass dieser Betrag "anteilig je nach Bearbeitungsstand" zurückerstattet werde, eröffne zudem der Beklagten die Möglichkeit, allein unter Berufung auf den Bearbeitungsstand nach eigenem Gutdünken einen bestimmten Betrag zurückzuerstatten.
II.
Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision im Ergebnis stand. Beide Vorinstanzen haben den geltend gemachten Rückzahlungsanspruch zu Recht als begründet angesehen, weil die Beklagte das Reservierungsentgelt von 750 € rechtsgrundlos einbehalten hat.
1. Nachdem die Beklagte 750 € an die Kläger zurückerstattet hat und dabei ausdrücklich nicht den ihr entstandenen Aufwand in Anschlag bringen wollte, bezieht sich der noch einbehaltene Betrag von weiteren 750 € allein auf das so bezeichnete "Tätigkeitsentgelt" für den Verzicht auf weiteres Anbieten des fraglichen Kaufobjekts. Die Revision, die sich zu der in derselben Höhe vorgesehenen Zahlung für den Aufwand bezüglich der Vorbereitung des beabsichtigten Kaufvertrags nur vorsorglich geäußert hat, sieht dies letztlich nicht anders. Demnach bildet allein das Tätigkeitsentgelt den Streitgegenstand.
2. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Klausel über die Verpflichtung zur Zahlung eines "Reservierungsentgelts" für den Fall des Nichtzustandekommen eines Kaufvertrags, das bereits mit der Unterzeichnung des Auftrags zu entrichten war, wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam ist. Das fragliche Entgelt ist Teil der vorformulierten Vertragsbedingungen der Beklagten, die, wie sie selbst nicht in Abrede stellt, als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu qualifizieren sind.
a) Die Klausel unterliegt gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Inhaltskontrolle. Nach dieser Vorschrift sind davon nur Bestimmungen über den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistung einschließlich Vereinbarungen über das zu erbringende Entgelt, insbesondere soweit sie dessen Höhe betreffen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2001 – V ZR 452/99, BGHZ 146, 331, 338), ausgenommen. Nicht kontrollfähige Leistungsbeschreibungen in diesem Sinne sind nur solche Bestimmungen, die Art, Umfang und Güte der geschuldeten Leistung festlegen. Klauseln, die das Hauptleistungsversprechen einschränken, ausgestalten oder modifizieren, sind hingegen inhaltlich zu kontrollieren (vgl. BGH, Urteile vom 12. Juni 2001 – XI ZR 274/00, BGHZ 148, 74, 78 m.w.N., und vom 20. Mai 2010 – Xa ZR 68/09, NJW 2010, 2719 Rn. 26).
Vorliegend diente die Beauftragung durch die Kläger dem Zweck, unter Vermittlung der Beklagten einen Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung mit der B. B. AG, der "Verkaufsinteressentin", zustande zu bringen. Diese "Vermittlungs-Dienstleistung" der Beklagten – die allerdings wegen der zwischen der Beklagten und der Verkaufsinteressentin bestehenden Verflechtung nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats nicht als Maklerleistung im Sinne des § 652 Abs. 1 Satz 1 BGB angesehen werden kann (vgl. Urteil vom 19. Februar 2009 – III ZR 91/08, NJW 2009, 1809 Rn. 9 m.w.N.) – stellt, wie schon das Amtsgericht zutreffend festgestellt hat, die eigentliche Hauptleistung dar. Ungeachtet des Umstands, dass diese Leistung nach den Vereinbarungen der Vertragsparteien nicht besonders zu vergüten ist, erweist sich im Verhältnis dazu die Reservierungsvereinbarung als bloße Nebenabrede, so dass die insoweit getroffene "Nebenentgeltregelung" kontrollfähig ist.
b) Die Regelung, wonach die Beklagte den sogleich mit Unterschriftsleistung auf dem Auftrag zu erbringenden Betrag von 750 € für den Verzicht auf weiteres Anbieten des Kaufobjekts in jedem Fall in voller Höhe behalten darf, wenn es nicht zum Abschluss des Kaufvertrags kommt, benachteiligt die Kaufinteressenten unangemessen und ist deshalb gemäß § 307 BGB unwirksam. Für diese Beurteilung ist es nicht von ausschlaggebender Bedeutung, welche Rechtsnatur der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung zukommt und ob mit dem Berufungsgericht bei der vorliegenden Fallkonstellation die Anwendung maklerrechtlicher Grundsätze gerechtfertigt ist. Denn die streitige Klausel hält in keinem Falle der Inhaltskontrolle stand.
aa) Eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 BGB ist dann anzunehmen, wenn der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen. Die Unangemessenheit ist zu verneinen, wenn die Benachteiligung des Vertragspartners durch zumindest gleichwertige Interessen des Verwenders der Allgemeinen Geschäftsbedingungen gerechtfertigt ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BGH, Urteil vom 1. Februar 2005 – X ZR 10/04, NJW 2005, 1774, 1775; Senatsurteil vom 18. März 2010 – III ZR 254/09, MDR 2010, 637, 638 m.w.N.; Urteil vom 27. Mai 2010 – VII ZR 165/09, NJW 2010, 2272 Rn. 23).
Die dabei erforderliche Interessenabwägung führt im Streitfall zu dem Ergebnis, dass die Pflicht zur Zahlung des Reservierungsentgelts bzw. der ausnahmslose Ausschluss der Rückzahlung dieses Entgelts bei Nichtzustandekommen des Kaufvertrags über die Wahrung schutzwürdiger Interessen der Beklagten hinausgeht und aus diesem Grund eine unangemessene Benachteiligung der Kunden vorliegt (so in der Tendenz für Maklerverträge bereits Urteil vom 10. Februar 1988 – IVa ZR 268/86, BGHZ 103, 235, 239 f). Allgemein gehört es im Vertragsrecht zu den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, bei Abwicklung gegenseitiger Verträge auf das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung angemessen Rücksicht zu nehmen. (vgl. BGH, Urteile vom 2. Oktober 1981 – I ZR 201/79, NJW 1982, 181 und vom 5. April 1984 – VII ZR 196/83, NJW 1984, 2162, 2163). Diese Grundsätze sind vorliegend nicht ausreichend beachtet.
bb) Die streitgegenständliche Klausel stellt letztlich den Versuch der Beklagten dar, sich für den Fall des Scheiterns ihrer – die Hauptleistung darstellenden – Vermittlungsbemühungen gleichwohl eine (erfolgsunabhängige) Vergütung zu sichern, ohne dass dabei gewährleistet ist, dass sich aus dieser entgeltpflichtigen Reservierungsvereinbarung für den Kunden nennenswerte Vorteile ergeben oder seitens der Beklagten eine geldwerte Gegenleistung zu erbringen ist.
Das Versprechen der Beklagten, die Eigentumswohnung nicht mehr anderweitig anzubieten, lässt das Recht der Verkaufsinteressentin unberührt, ihre Verkaufabsichten aufzugeben oder das Objekt ohne Einschaltung der Beklagten an Dritte zu veräußern. Der Kunde zahlt damit einen nicht ganz unerheblichen Betrag, ohne dafür die Gewähr zu haben, das fragliche Objekt erwerben zu können. Der Nutzen dieser Vereinbarung für den Kunden ist mithin sehr eingeschränkt (vgl. Stoffels in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 5. Aufl. 2009, Klauseln M 8; Christensen in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 10. Aufl. 2006, Anh. § 310, Rn. 584; ebenso Staudinger/Reuter, BGB, Neubearb. 2010, §§ 652, 653, Rn. 205, der im übrigen der Auffassung ist, dass sich eine Reservierung letztlich in einer "bevorzugten Behandlung" erschöpft, die mangels inhaltlicher Präzisierung nicht den schuldrechtlichen Anforderungen an die Bestimmbarkeit von Art und Umfang der Leistungspflicht genügt; zustimmend Schwerdtner/Hamm, Maklerrecht, 5. Aufl. 2008, Rn. 845 ). Dieser allenfalls geringe Vorteil wird aus Sicht des Kunden weiter dadurch gemindert, dass die Zahlung eines derartigen Entgelts regelmäßig geeignet ist, Einfluss auf seine wirtschaftliche Dispositionsfreiheit im Sinne der Förderung des Kaufentschlusses zu nehmen, um nicht die bereits erfolgte Zahlung verfallen zu lassen, sondern im Wege der Verrechnung mit dem Kaufpreis verwerten zu können (vgl. auch BGH, Urteil vom 10. Februar 1988 aaO).
Demgegenüber erbringt die Beklagte durch die zugesagte Reservierung keine ins Gewicht fallende Verzichtsleistung (Christensen aaO). Von einer solchen könnte allenfalls dann gesprochen werden, wenn die Zeitdauer der Reservierung so lange wäre, dass die Gefahr, das Eigenheim nicht mehr anderweitig zu dem ins Auge gefassten Kaufpreis veräußern zu können, nennenswert erhöht wäre. Davon kann regelmäßig keine Rede sein, da der Zeitraum zwischen der Äußerung der konkreten Kaufabsicht und dem Beurkundungstermin im Allgemeinen überschaubar ist. Hinzukommt, dass nach dem klaren Wortlaut der Klausel die Reservierungsgebühr in voller Höhe verdient ist, wenn der Auftrag unterzeichnet ist. Sie ist also auch dann zu zahlen bzw. kann nicht zurückgefordert werden, wenn der Kaufinteressent so kurz nach Unterzeichnung der Vereinbarung seine Kaufabsicht aufgibt, dass es faktisch ausgeschlossen ist, in der Zwischenzeit einen anderen (aufgrund der Reservierungsvereinbarung zurückzuweisenden) Kaufinteressenten zu finden.
Die einseitige Berücksichtigung der Interessen der Beklagten wird noch dadurch verstärkt, dass nach der vorgesehenen Regelung auch dann ein Anspruch auf Rückerstattung des gezahlten Reservierungsentgelts ausgeschlossen ist, wenn die Kaufinteressenten das Nichtzustandekommen eines Vertragsschlusses nicht zu vertreten haben, sondern die Beklagte selbst oder die mit ihr verflochtene Verkaufsinteressentin für das Scheitern des Kaufs verantwortlich ist.
3. Bei dieser Sachlage bedarf die mit der Vereinbarung einer Reservierungsgebühr im Zusammenhang stehende Frage der Beurkundungsbedürftigkeit nach § 311b Abs. 1 BGB, weil damit auf den Kaufinteressenten im Hinblick auf die Höhe des geforderten Entgelts möglicherweise ein unangemessener Druck zum Erwerb der Wohnung ausgeübt werden kann (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 2. Juli 1986 – IVa ZR 102/85, NJW 1987, 54, 55; vom 10. Februar 1988 – IVa ZR 268/86, BGHZ 103, 235, 239; und vom 18. März 1992 – IV ZR 41/91, NJW-RR 1992, 817, 818; MünchKommBGB/Roth, 5. Aufl. 2009, § 652 Rn. 60, 62 f; Staudinger/Reuter, aaO, Rn. 205), im Streitfall keiner abschließenden Beurteilung. Es kann deshalb offen bleiben, ob insoweit auf den von der Klägerin gezahlten Gesamtbetrag von 1.500 € oder nur auf den Betrag des Reservierungsentgelts abzustellen wäre. Denn der festgestellte Unwirksamkeitsgrund aus § 307 Abs. 1 BGB besteht selbständig und unabhängig von einem etwaigen Formzwang nach § 311b Abs. 1 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 1988, aaO, S. 240; Stoffels aaO Rn. M 8).
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