Ände­rungs­voll­macht im Bauträgervertrag

 
Stich­wor­te
Prü­fung Bau­trä­ger­ver­trag, Ände­rungs­voll­macht, Änderungsbeschränkungen

Kam­mer­ge­richt
Urteil v. 23.04.2025 – 21 U 156/23

Kurz­fas­sung

Leit­satz

1. Sehen die all­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen eines Bau­trä­ger­ver­trags eine Voll­macht des Erwer­bers an den Bau­trä­ger zur Ände­rung der Tei­lungs­er­klä­rung vor, so ist die­se nur wirk­sam, wenn sie die fol­gen­den Beschrän­kun­gen einhält:
‑Das Son­der­ei­gen­tum und etwa­ige Son­der­nut­zungs­rech­te des Erwer­bers müs­sen unan­ge­tas­tet bleiben.
‑Das zur Benut­zung des Son­der­ei­gen­tums erfor­der­li­che Gemein­schafts­ei­gen­tum darf nicht mehr als unwe­sent­lich beein­träch­tigt werden.
‑Dem Erwer­ber dür­fen kei­ne zusätz­li­chen Ver­pflich­tun­gen auf­er­legt werden.
‑Die Zweck­be­stim­mun­gen der Son­der­ei­gen­tums­rech­te an dem Grund­stück dür­fen nicht mehr als unwe­sent­lich geän­dert werden.
2. Dar­über hin­aus muss nicht gere­gelt wer­den, dass die Voll­macht nur aus „trif­ti­gem Grund“ ver­wen­det wer­den darf, geschwei­ge denn, dass sol­che Grün­de im Ein­zel­nen auf­ge­lis­tet wer­den müssten.
3. Ver­fügt ein Bau­trä­ger nicht über eine Voll­macht zur Ände­rung der Tei­lungs­er­klä­rung, steht ihm aus dem Bau­trä­ger­ver­trag in Ver­bin­dung mit § 242 BGB gegen den Erwer­ber jeden­falls ein Anspruch auf Zustim­mung zu der­ar­ti­gen Ände­run­gen zu, solan­ge sie die unter 1. auf­ge­führ­ten Gren­zen einhalten.
4. Im Ein­zel­fall kann der Ände­rungs­an­spruch des Bau­trä­gers über die unter 1. auf­ge­führ­ten Gren­zen hinausgehen.

I.
1 Die Klä­ge­rin nimmt die Beklag­ten aus einem Bau­trä­ger­ver­trag auf Ände­rung der Tei­lungs­er­klä­rung und der Gemein­schafts­ord­nung einer Woh­nungs­ei­gen­tü­mer­ge­mein­schaft in Anspruch ...

11 Am 19. Juli 2016 schlos­sen bei­de Beklag­ten mit der Klä­ge­rin einen Bau­trä­ger­ver­trag über die Teil­ei­gen­tums­ein­heit 210, eine Laden­ein­heit im Erd­ge­schoss des Gebäu­des (Anla­ge K 1, im Fol­gen­den: Bau­trä­ger­ver­trag 210).

12 In § 12.1 des Bau­trä­ger­ver­trags 210 ertei­len die Beklag­ten der Klä­ge­rin eine unwi­der­ruf­li­che Voll­macht unter ande­rem, um in ihrem Namen die Tei­lungs­er­klä­rung samt Gemein­schafts­ord­nung „nach­träg­lich belie­big abzu­än­dern und alle damit in Zusam­men­hang ste­hen­den Erklä­run­gen abzu­ge­ben…“. Wei­ter heißt es in § 12.1:

13 „Die Voll­mach­ten sind gegen­über dem Grund­buch­amt nicht beschränkt, son­dern all­ge­mein erteilt; die Beschrän­kun­gen gel­ten nur im Innen­ver­hält­nis zwi­schen den Ver­trags­par­tei­en und schrän­ken den Umfang der Voll­macht gegen­über dem Grund­buch­amt in kei­ner Wei­se sein (…).

14 Im Innen­ver­hält­nis ist der Bevoll­mäch­tig­te inso­fern beschränkt, dass Ände­run­gen bei wirt­schaft­li­cher Betrach­tungs­wei­se Inhalt und Umfang des Son­der­ei­gen­tums des Käu­fers oder der­je­ni­gen Tei­le des Gemein­schafts­ei­gen­tums, die ihm zur allei­ni­gen Nut­zung zuge­wie­sen sind, ohne sei­ne Zustim­mung nicht beein­träch­tigt wer­den dür­fen. Ver­kehrs- und Gemein­schafts­flä­chen, soweit für die Nut­zung durch den Käu­fer von Bedeu­tung, dür­fen nicht wesent­lich ver­klei­nert oder ver­legt wer­den. Kos­ten dür­fen dem Käu­fer durch etwa­ige Ände­run­gen nicht ent­ste­hen. Unter die­sen Vor­aus­set­zun­gen ist der Käu­fer der Ver­käu­fe­rin gegen­über zu sol­chen Ände­run­gen auch verpflichtet. (…)“...

58 (1) Vor­aus­set­zun­gen für eine Voll­macht zur Ände­rung der Teilungserklärung

59 (a) Es gel­ten grund­sätz­lich die Beschrän­kun­gen des § 308 Nr. 4 BGB.

60 Ver­kauft ein Bau­trä­ger ein Son­der­ei­gen­tum an einem Grund­stück, dass durch Tei­lungs­er­klä­rung gemäß § 3 WEG geteilt ist, ist all­ge­mein aner­kannt, dass er sich im Bau­trä­ger­ver­trag vom Erwer­ber eine Voll­macht ein­räu­men las­sen darf, um in des­sen Namen nach­träg­lich die Tei­lungs­er­klä­rung zu ändern. Denn ein Bau­trä­ger­ver­trag wird häu­fig zu einem Zeit­punkt abge­schlos­sen, in dem Errich­tung und Ver­mark­tung der auf­ge­teil­ten Immo­bi­lie noch nicht abge­schlos­sen sind. Des­halb kann sich im Ver­lauf der Rea­li­sie­rung des Pro­jekts auf­grund von nicht immer vor­her­seh­ba­ren Schwie­rig­kei­ten oder Ände­rungs­wün­schen ande­rer Erwer­ber noch in viel­fa­cher Hin­sicht ein berech­tig­ter Bedarf für den Bau­trä­ger erge­ben, die bereits abge­ge­be­ne Tei­lungs­er­klä­rung nach­träg­lich zu ändern (BGH, Beschluss vom 19. Sep­tem­ber 2019, V ZB 119/18, Rn. 26ff; Basty, Der Bau­trä­ger­ver­trag, 11. Auf­la­ge, 2023, Kapi­tel 2, Rn. 3ff; Grziwotz/Koeble, Hand­buch Bau­trä­ger­recht, 2. Auf­la­ge, 2022, Kapi­tel 2, Rn. 172ff; Pause/Vogel, Bau­trä­ger­kauf und Bau­mo­del­le, 7. Auf­la­ge, 2022, Kapi­tel 3, Rn. 81ff, jeweils m. w. N.).

61 Die­sem Ziel dient eine Ände­rungs­voll­macht, die aller­dings Beschrän­kun­gen unter­lie­gen muss. Wäre die Voll­macht unbe­grenzt, könn­te der Bau­trä­ger, indem er von ihr Gebrauch macht, über die Tei­lungs­er­klä­rung die Beschaf­fen­heit der ver­kauf­ten Son­der­ei­gen­tums­ein­heit, also des Ver­trags­ge­gen­stands und damit den Inhalt sei­ner ver­trag­li­chen Pflich­ten nach­träg­lich ändern. Folg­lich müs­sen sich die Befug­nis­se des Bau­trä­gers auf­grund der Ände­rungs­voll­macht in den Gren­zen hal­ten, die auch für ein Recht des Bau­trä­gers gegen­über dem Erwer­ber bestehen, die ver­trag­li­che Leis­tung nach­träg­lich zu ändern (Basty, Der Bau­trä­ger­ver­trag, 11. Auf­la­ge, 2023, Kapi­tel 11, Rn. 72ff; Pause/Vogel, Bau­trä­ger­kauf und Bau­mo­del­le, 7. Auf­la­ge, 2022, Kapi­tel 3, Rn. 81). Schließ­lich ermög­licht die Ände­rungs­voll­macht dem Bau­trä­ger die Umset­zung eines sol­chen Ände­rungs­rechts in Bezug auf die Tei­lungs­er­klä­rung in Selbst­vor­nah­me. Jeden­falls wenn der Erwer­ber Ver­brau­cher ist und die Rege­lun­gen des Bau­trä­ger­ver­trags all­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gun­gen des Bau­trä­gers sind – wie im Regel­fall – unter­lie­gen ver­trag­li­che Bestim­mun­gen zu Ände­run­gen des Ver­trags­ge­gen­stands den Beschrän­kun­gen des § 308 Nr. 4 BGB. Somit muss auch die ver­trag­li­che Rege­lung einer Ände­rungs­voll­macht für die Tei­lungs­er­klä­rung die­se Beschrän­kun­gen ein­hal­ten, andern­falls ist die Voll­macht unwirk­sam (BGH, Beschluss vom 19. Sep­tem­ber 2019, V ZB 119/18, Rn. 26 ff.; Pause/Vogel, Bau­trä­ger­kauf und Bau­mo­del­le, 7. Auf­la­ge, 2022, Kapi­tel 3, Rn. 81; Basty, Der Bau­trä­ger­ver­trag, 11. Auf­la­ge, 2023, Kapi­tel 2, Rn. 13).

62 Aller­dings ver­langt § 308 Nr. 4 BGB nicht, dass die Ände­rungs­voll­macht auch im Außen­ver­hält­nis beschränkt wäre. Es genügt, wenn der Bau­trä­ger­ver­trag die gebo­te­nen Beschrän­kun­gen im Innen­ver­hält­nis regelt und ihre Ein­hal­tung dadurch sicher­ge­stellt wird, dass die Aus­übung der Voll­macht durch einen Notar über­wacht wird (BGH, Beschluss vom 19. Sep­tem­ber 2019, V ZB 119/18, Rn. 28 und 30; Basty, Der Bau­trä­ger­ver­trag, 11. Auf­la­ge, 2023, Kapi­tel 2, Rn. 14; Grziwotz/Koeble, Hand­buch Bau­trä­ger­recht, 2. Auf­la­ge, 2022, Kapi­tel 5, Rn. 174).

63 (b) Beschrän­kun­gen für das Innenverhältnis

64 Für die aus § 308 Nr. 4 BGB für das Innen­ver­hält­nis der Voll­macht abzu­lei­ten­den Beschrän­kun­gen gilt: Die Voll­macht darf nur für sol­che Ände­run­gen des Ver­trags­ge­gen­stands genutzt wer­den, die unter Berück­sich­ti­gung der Inter­es­sen des Bau­trä­gers dem Erwer­ber zumut­bar sind. Dies bedeu­tet, dass die mög­li­che Leis­tungs­än­de­rung für den Erwer­ber kal­ku­lier­bar sein muss und der wesent­li­che Kern der ver­trag­li­chen Leis­tung durch sie nicht beein­träch­tigt wer­den darf (BGH, Beschluss vom 19. Sep­tem­ber 2019, V ZB 119/18, Rn. 29 f.).

65 Damit die­se Gren­ze gewahrt wird, muss zunächst Fol­gen­des von der Voll­macht aus­ge­nom­men sein (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Sep­tem­ber 2019, V ZB 119/18, Rn. 30m.w. N.;; Pause/Vogel, Bau­trä­ger­kauf und Bau­mo­del­le, 7. Auf­la­ge, 2022, Kapi­tel 3, Rn. 108; Basty, Der Bau­trä­ger­ver­trag, 11. Auf­la­ge, 2023, Kapi­tel 2, Rn. 14):

66 -Das Son­der­ei­gen­tum und etwa­ige Son­der­nut­zungs­rech­te des Erwer­bers müs­sen unan­ge­tas­tet bleiben,

67 -das zu des­sen Benut­zung erfor­der­li­che Gemein­schafts­ei­gen­tum darf nicht mehr als unwe­sent­lich beein­träch­tigt wer­den und

68 -dem Erwer­ber dür­fen kei­ne zusätz­li­chen Ver­pflich­tun­gen auf­er­legt werden ...

72 c) Wei­te­rer „trif­ti­ger Grund“ muss nicht ange­ge­ben werden ...

89 Wen­det man die­se Über­le­gun­gen auf den vor­lie­gen­den Fall an, erweist sich die Ände­rungs­voll­macht in § 12.1.1. des Bau­trä­ger­ver­trags 210 als unwirk­sam, da sie im Innen­ver­hält­nis nicht aus­rei­chend beschränkt ist ..."

(Den voll­stän­di­gen Text der Ent­schei­dung fin­den Sie hier)

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