Das Beur­kun­dungs­ge­bot

 

Stich­wor­te
Prü­fung Bau­trä­ger­ver­trag, Beur­kun­dungs­ge­bot, Ein­heit­li­cher Ver­trag, Bedingung

Bun­des­ge­richts­hof
Urteil v. 29.01.2021 – V ZR 139/19

Kurz­fas­sung

Leit­sät­ze

1. Dass ein beur­kun­dungs­be­dürf­ti­ges Grund­stücks­ge­schäft unter der Bedin­gung des Zustan­de­kom­mens oder des Fort­be­stands eines ande­ren Rechts­ge­schäfts vor­ge­nom­men wird, recht­fer­tigt für sich genom­men nicht die Annah­me, dass die Rechts­ge­schäf­te nach dem Wil­len der Par­tei­en eine Ein­heit bil­den und daher bei­de beur­kun­dungs­be­dürf­tig sind. Eine Geschäfts­ein­heit liegt nur vor, wenn Tei­le des ande­ren Rechts­ge­schäfts Inhalt des Grund­stücks­ge­schäfts sein sollen ...

Rn. 8
a) Nach § 311 b Abs. 1 Satz 1 BGB bedarf ein Ver­trag, durch den sich der eine Teil ver­pflich­tet, das Eigen­tum an einem Grund­stück zu über­tra­gen oder zu erwer­ben, der nota­ri­el­len Beur­kun­dung. Dem Form­zwang unter­liegt der „Ver­trag“, d. h. alle Ver­ein­ba­run­gen, aus denen sich nach dem Wil­len der Par­tei­en das schuld­recht­li­che Ver­äu­ße­rungs­ge­schäft zusam­men­setzt (st. Rspr....) Es muss alles beur­kun­det wer­den, was nach dem Wil­len der Par­tei­en Inhalt des schuld­recht­li­chen Ver­äu­ße­rungs­ge­schäfts wer­den soll. Somit bedür­fen bei (ein­heit­li­chen) Rechts­ge­schäf­ten, die sich aus beur­kun­dungs­be­dürf­ti­gen und für sich genom­men nicht beur­kun­dungs­be­dürf­ti­gen Tei­len zusam­men­set­zen, auch letz­te­re der Beurkundung.

Rn. 9
b) Ob ein ein­heit­li­ches und damit ins­ge­samt nach § 311 b Abs. 1 Satz 1 BGB beur­kun­dungs­be­dürf­ti­ges Rechts­ge­schäft vor­liegt, rich­tet sich nach dem Wil­len der Ver­trags­par­tei­en, nament­lich nach der von ihnen gewoll­ten Ver­knüp­fung des Grund­stücks­ge­schäfts mit dem für sich genom­men nicht beur­kun­dungs­be­dürf­ti­gen Rechts­ge­schäft, und unter­liegt tat­rich­ter­li­cher Wür­di­gung unter Berück­sich­ti­gung aller Umstän­de des jewei­li­gen Einzelfalls. 

Rn. 11
d) Dass ein beur­kun­dungs­be­dürf­ti­ges Grund­stücks­ge­schäft unter der Bedin­gung des Zustan­de­kom­mens oder des Fort­be­stands eines ande­ren Rechts­ge­schäfts vor­ge­nom­men wird, recht­fer­tigt für sich genom­men nicht die Annah­me, dass die Rechts­ge­schäf­te nach dem Wil­len der Par­tei­en eine Ein­heit bil­den und daher bei­de beur­kun­dungs­be­dürf­tig sind. Eine Geschäfts­ein­heit liegt nur vor, wenn Tei­le des ande­ren Rechts­ge­schäfts Inhalt des Grund­stücks­ge­schäfts sein sollen.

Rn. 12
aa) Der Bun­des­ge­richts­hof hat aller­dings wie­der­holt for­mu­liert, dass an sich selb­stän­di­ge Ver­ein­ba­run­gen jeden­falls dann ein ein­heit­li­ches Rechts­ge­schäft dar­stel­len, wenn sie nach den Vor­stel­lun­gen der Betei­lig­ten in einem sol­chen recht­li­chen Zusam­men­hang ste­hen, dass sie nicht jeweils für sich allein gel­ten, son­dern mit­ein­an­der „ste­hen und fal­len“ sol­len ...Eine wech­sel­sei­ti­ge Abhän­gig­keit ist hier­für nicht erfor­der­lich; viel­mehr reicht es aus, wenn das Grund­stücks­ge­schäft aus Sicht der Ver­trags­part­ner untrenn­bar von dem ande­ren Geschäft abhängt ...

Rn. 14
(1) Für die Fra­ge, ob zwei Ver­ein­ba­run­gen nach dem Wil­len der Ver­trags­par­tei­en eine recht­li­che Ein­heit bil­den, kommt es nicht auf die rechts­tech­ni­sche Art der Ver­knüp­fung an, also dar­auf, ob das Grund­stücks­ge­schäft von dem Zustan­de­kom­men oder Fort­be­stand des ande­ren Geschäfts durch eine auf­schie­ben­de oder auf­lö­sen­de Bedin­gung abhän­gig gemacht wird, ob ein Rück­tritts­recht ver­ein­bart oder ob das ande­re Geschäft als „Geschäfts­grund­la­ge“ des Grund­stücks­ge­schäfts auf­ge­führt wird ...

Rn. 15
(2) Maß­geb­lich ist viel­mehr, ob Tei­le des für sich genom­men nicht beur­kun­dungs­be­dürf­ti­gen Ver­tra­ges Inhalt des Grund­stücks­ge­schäfts wer­den sol­len. Beur­kun­dungs­be­dürf­tig ist nach § 311 b Abs. 1 Satz 1 BGB näm­lich der gesam­te Inhalt der getrof­fe­nen Ver­ein­ba­run­gen des Grund­stücks­ge­schäfts. Nicht beur­kun­dungs­be­dürf­tig sind dage­gen Erklä­run­gen, die kei­nen Rege­lungs­cha­rak­ter haben, wie etwa vor Ver­trags­schluss mit­ge­teil­te Infor­ma­tio­nen oder die Moti­ve der Par­tei­en für den Ver­trags­schluss ... Ent­schei­dend ist folg­lich, wel­che Vor­stel­lun­gen die Par­tei­en mit der von ihnen gewähl­ten Ver­knüp­fung ver­bin­den. Soll das Zustan­de­kom­men des Grund­stücks­ge­schäfts davon abhän­gig sein, dass ein ande­res, für sich genom­men nicht beur­kun­dungs­be­dürf­ti­ges Geschäft ledig­lich zustan­de kommt bzw. fort­be­steht, so ist es im Hin­blick auf den Schutz­zweck des Beur­kun­dungs­er­for­der­nis­ses aus­rei­chend, dass die­se Ver­knüp­fung, hier also die Bedin­gung, beur­kun­det wird ... Denn der Inhalt der von den Par­tei­en getrof­fe­nen Rege­lung besteht nur in die­ser Ver­knüp­fung. Haben sie hin­ge­gen den Wil­len, die Ver­trä­ge inhalt­lich mit­ein­an­der zu ver­knüp­fen, sol­len also Rege­lun­gen des Grund­stücks­ge­schäfts nur gemein­sam mit Rege­lun­gen des ande­ren Ver­tra­ges gel­ten, so liegt ein ein­heit­li­ches Rechts­ge­schäft vor, das ins­ge­samt beur­kun­dungs­be­dürf­tig ist ...

(Den voll­stän­di­gen Text der Ent­schei­dung fin­den Sie hier)

<   Zur Urteilsübersicht