Bauträgerverträge enthalten nicht selten eine Klausel dahingehend, dass der Kaufgegenstand als vollständig und mangelfrei fertiggestellt und abgenommen gelte, wenn der Käufer das Vertragsobjekt gegen den Willen des Bauträgers beziehe (Abnahmefiktion). Eine solche Klausel dient unredlichen Bauträgern als Instrument, um die gesetzlichen Sicherungs- und Zurückbehaltungsrechte der Käufer auszuhebeln.
Das Szenario stellt sich nach meinen Prüfungserfahrungen regelmäßig wie folgt dar: Der Bauträgervertrag sieht die Übergabe des Vertragsobjektes bei Bezugsfertigkeit vor. Bei Bezugsfertigkeit verlangt der Käufer die Übergabe, verweigert aber mit dem Hinweis auf die fehlenden Restarbeiten oder vorhandene wesentliche Mängel die Zahlung der letzten Kaufpreisrate beziehungsweise die Freigabe der werkvertraglichen Sicherheit für die Herstellung des Werkes ohne wesentliche Mängel. Daraufhin lehnt der Bauträger die Übergabe des bezugsfertigen Vertragsobjektes ab. Zugleich droht er dem einzugswilligen Käufer damit, dass der Käufer bei eigenmächtigem Bezug des Objektes alle Ansprüche auf vollständige, mangelfreie Fertigstellung verliere. Denn das Kaufobjekt gelte wegen der vereinbarten Abnahmefiktion mit Einzug des Käufers als vollständig fertiggestellt und mangelfrei abgenommen.
Das Verhalten des Bauträgers ist rechtswidrig, weil der Bauträger nach dem Bauträgervertrag die Übergabe des Objektes bei Bezugsfertigkeit auch dann schuldet, wenn der Käufer von seinen gesetzlichen Zurückbehaltungs- und Sicherungsrechten wegen fehlender oder mangelhafter Gewerke Gebrauch macht. Bezieht der Käufer dann das Objekt gegen den Willen des Bauträgers, verhält er sich zwar ebenfalls rechtswidrig, verliert aber seine gesetzlichen Ansprüche auf vollständige, mangelfreie Fertigstellung des Kaufgegenstandes nicht. Denn die im Bauträgervertrag vereinbarte vertragliche Abnahmefiktion ist unwirksam. Vertragliche Abnahmefiktionen sind im Bauträgervertrag außerhalb der gesetzlichen Regelung des § 640 Abs. 1 S. 3 BGB nur zulässig, wenn die Voraussetzungen von §§ 308 Nr. 5 und 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB erfüllt sind. Eine im Bauträgervertrag vereinbarte Abnahmefiktion ist deshalb jedenfalls dann unwirksam, wenn das die Fiktion begründende Verhalten entweder unter Druck erfolgt oder das Vertragsobjekt nicht vollständig fertiggestellt ist oder das Objekt wesentliche Mängel aufweist.
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